Zürich: Narren als Könige

William Shakespeare «Maß für Maß», Elfriede Jelinek «Am Königsweg»

Theater heute - Logo

Regieren kommt von Gier. Da hat der Herzog Vincentio erstens recht und zweitens den wunden Punkt so ziemlich aller Staatssysteme getroffen, die vor und nach William Shakespeare denkbar waren. Nur Vincentio selbst, dem ist die ewige Volksbeherrscherei lästig. Auch scheint das Gros der Untertanen seinen Stil, das Laissez-faire, kaum noch zu schätzen. Also verordnet er ihnen einen Hardliner, den von Sittenstrenge und Eigendünkel zerfressenen Statthalter Angelo.

Die leichtlebige Stadt Wien bekommt so ein Problem, das «Maß für Maß» bewältigt werden will.

Das ist fast nicht mehr komisch, es sei denn, man besteht darauf, so wie Jan Bosse, der Shakespeares tristester Komödie im Zürcher Schauspielhaus größtmöglichen Lustspieltrieb abtrotzt.

Sich selbst verordnet Vincentio bekanntlich die Beobachterrolle, inkognito. Wobei Hans Kremer in Zürich gleich eingangs klarmacht, wer die Sache wirklich im Griff hat. Er setzt sich an die Rampe und hält ein Modell von Moritz Müllers vorerst verrammelter Globe-Weltbühne in Händen. Und wenn der Herzog sein Spielzeugmodell ankippt, dann geraten die echten Figuren auf der Bühne – eine Live-Videokamera zeigt das – bedenklich ins Straucheln. Wenn er ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juni 2018
Rubrik: Chronik, Seite 61
von Stephan Reuter

Weitere Beiträge
Daten (6/2018)

Aachen, Grenzlandtheater
2. nach Bergman, Szenen einer Ehe

R. Harald Demmer 

Aalen, Theater der Stadt
10. Klöcker, Alle irgendwie manchmal

R. Anne Klöcker und Klara Sandmann
30. Shakespeare, Was ihr wollt
R. Marlene Anna Schäfer 

Altenburg/Gera, TPT
10. Molière, Der eingebildete Kranke

R. Manuel Kressin 

Ansberg, Kultur am Schloss
16. nach Molière, Tartuffe

R. Markus...

Globaler Großentwurf und intimer Moment

Es sieht nicht gut aus, das globale Ökosystem. Mit gesichtskonturverflachenden Masken, dazu Basecaps, auf denen «I love Bingo» steht (wobei das Verb neckisch durch ein rotes Herz ersetzt ist) oder Sweatshirts mit der sachdienlichen Information «Everything sucks» tritt es auf der Bühne des Wiener Schauspielhauses zusammen, schickt ab und zu mal einen...

Bamberg: Guter Rat und schöne Worte

Dieses Land hat doch nur begrenzte Möglichkeiten. Zumindest für Menschen wie Khalil. Er wurde zwar in Amerika geboren, doch seine Eltern sind bosnische Einwanderer. Sie sind muslimisch, und Khalil und sein Bruder Amir erfahren an Leib und Seele, was es heißt, «anders» zu sein. Ein Spiel zwischen Anpassung und Radikalisierung beginnt so in Morton Rhues Stück...