Die Verkörperungskönner
Was heißt Schauspielen heute? In den vergangenen Festivalwochen zeigte das Berliner Theatertreffen eine Auswahl sehr heterogener Spielweisen. In Forced Entertainments «Real Magic« sind es feine darstellerische Nuancen, die das Monströse einer einfachen Situation durch viele Wiederholungen und kleine Abwandlungen sichtbar machen.
Simon Stones Inszenierung von «Drei Schwestern» lebt von ähnlichen Verschiebungen, die Tschechows Klassiker nicht nur in einer neuen Inszenierung zeigen, sondern grundlegend transformieren – in eine andere Erfahrungswelt, andere Sprache, andere Erzählweise. Der Abend wirkt wie eine Uraufführung, und die Figuren wie auch die Art, wie sich ihr Dialog phasenweise zwischen ihnen bewegt, haben sich nach hundert Jahren stark verändert. Durch die Drehbühne verliert das Geschehen in der Inszenierung sein fixes Zentrum, und die Bezüge zwischen Tableau, Sprecher und Text sind ständig in Bewegung. Der Redefluss mäandert durch das auf zwei Etagen verstreute Personal, ohne dass immer genau zu verorten wäre, welche Dialogpartie zu wem innerhalb der sich drehenden Figurentableaus und Räume gehört. Eigentlich geschieht hier nichts sonderlich Theatralisches, sondern alles ...
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Theater heute Juli 2017
Rubrik: Essay, Seite 56
von Thomas Oberender
Sköne Oke» radebrecht der unheimliche italienische Händler, als er Brillen verkaufen will. Schöne Augen macht auch Robert Wilson dem Publikum in seiner Version von E.T.A. Hoffmanns Gruselgeschichte vom armen Nathanael.
Die Mutter erzählt ihm das Ammenmärchen vom bösen Sandmann, der den Kindern die Augen stiehlt, wenn sie nicht schlafen wollen. Der Vater stirbt bei...
Am Schauspielhaus Zürich sind sie alle ein bisschen Matti. Brechts Titelheld, der seinen Herrn Puntila bekanntlich sicher im Studebaker von einer Eskapade zur nächsten chauffiert, neigt in Sebastian Baumgartens Inszenierung zur temporären Vervielfältigung seiner selbst. Eingangs stiert noch ein einsamer Johann Jürgens hinterm Steuer einer Holzspielzeuglimousine vor...
Stücke sind out, Stückentwicklungen in – der Eindruck drängt sich beim Durchblättern der Spielpläne auch großer Schauspielhäuser seit Längerem auf, zumindest was die aktuelle Dramatik betrifft. Dabei wird oft unterschätzt, dass Selbermachen hier oft eines höheren zeitlichen Aufwands bedarf, den sich die Theater im engen Premierentakt dann doch nicht leisten wollen....