Kunstblut in Strömen
Gut drei Dutzend Eimer Kunstblut versickern jeden Abend im Gitterrostboden, dazu vier Akteure in wechselnden Figurenkonstellationen, eine Konfetti-Kanone und immerhin mehr als die Hälfte vom Originaltext «Hamlet» – so macht sich Christopher Rüping, der junge Hausregisseur der Münchner Kammerspiele, über Shakespeares Prinzen her und entdeckt dabei im notorischen Zauderer einen manisch-radikalen Regisseur des Untergangs. Im Residenztheater dagegen lassen Andreas Kriegenburg und sein Bühnenbildner Harald B.
Thor die Bühne abheben wie ein taumelndes Ufo, von dem sich die Spieler vor blutrotem Hintergrund als Schattenrisse kopfüber in einen gefederten Abgrund stürzen – «Life’s but a walking shadow …» sagt Macbeth, sein Ende bereits vor Augen. Das böse Märchen erzählt Kriegenburg in Bildern von erlesener Gewalt, wobei die Blutkonserven hier etwas gezielter zum Einsatz kommen.
Ist das nun Performance oder schon wieder Schauspiel oder doch umgekehrt? Und sagt diese ebenso vehement wie inhaltlich unscharf geführte Debatte der vergangenen Monate tatsächlich etwas über die aktuelle Situation der deutschsprachigen Theaterinstitutionen? Zufällig zeitgleich standen in München zwei blutige ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute März 2017
Rubrik: Aufführungen, Seite 18
von Silvia Stammen
Zu der Zeit, als Rousseau seine politische Theorie der Freiheit entwarf, waren die englischen, deutschen, portugiesischen, holländischen und französischen Siedler und Kolonialisten gerade dabei, die Eingeborenen Afrikas zu versklaven. Ein gutes Beispiel dafür, dass wir die Ideologie nie mit der Realität verwechseln sollten. Bücher transportieren Ideologien, und...
Ein Rennbahnoval, umrandet von einer Bande mit Blinkerblümchen. An beiden Kopfenden Showportale, vor dem einen schweben Riesenballons mit Sternen und Streifen, das andere verblendet ein Riesenprospekt im Technicolorstil, darauf tanzen Zirkuslöwen mit Tangomädchen, manche zeigen auch nur die Pranken, oder sie reißen das Maul auf. Alles so quietschbunt hier. «A Great...
«Was es bald nicht mehr gibt: Dass man am Morgen nach einem wichtigen Ereignis zum Kiosk geht und zehn Zeitungen kauft», prophezeien die Schauspieler in Guy Krnetas Recherchestück «In Formation» in der Box des Zürcher Schiffbaus. Oder: «Dass alle das Gleiche gelesen haben, in der gleichen Zeitung, und alle überzeugt sind, vom Gleichen zu reden.» Kurzum: Man hat...