Der menschliche Anschlussfehler
Die russische Seele ist ein schwarzes Loch. Und zwar eines ohne Boden. Ob Wodka, Rubel oder Moral – alles versickert auf Nimmerwiedersehen. In Stuttgart sind es genau genommen gleich zwei schwarze Löcher, gebildet von den Augenhöhlen eines riesigen Schädels, der in der Bühnenmitte thront. Dieser Schädel, militärisch behelmt und mit Schutzbrille, ist Spielort und Symbol. In und um ihn kreist alles, wenn er nicht gerade per Drehbühne um die eigene Achse rotiert.
Dabei ist dieser Totenkopf weniger ein Memento mori als Zeichen des schwarzhumorigen Wirtschaftsdeterminismus von Nikolai Gogols Roman «Tote Seelen» von 1842.
Formell ist der Kapitalismus eigentlich noch gar nicht so recht auf der Welt in Gogols Russland, praktisch aber schon in vollem Gange. Pawel Iwanowitsch Tschitschikow will eigentlich nur mitspielen im Reigen der Reichen. Aus kleinen Verhältnissen hat er sich hochgearbeitet und will nun endlich das große Geschäft machen. Und zwar mit einem besonderen Business-Modell: Er setzt auf die Toten. Von Gutsbesitzern versucht er Leibeigene, auch «Seelen» genannt, zu kaufen, die das Zeitliche gesegnet haben. Mit ihren Leichen hat Tschitschikow allerdings nichts am Hut, er will ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute August/September 2016
Rubrik: Aufführungen/Neue Stücke, Seite 12
von Kristin Becker
Ein Bild wie aus der «Vogue»: Eine hohe schwarze Lackwand mit vier türähnlichen Schlitzen, die das hindurchfallende Licht zerschneiden. In einem liegt dekorativ eine Frau, den Kopf nach hinten zum Publikum geneigt, ihr wallendes rotes Haar berührt den Boden. Fluchend kämpft sie sich aus ihrer Position, lacht hexenartig und böse. Eine kurze Entgleisung der ansonsten...
Nach 14 Tagen sackte der artivistische Riesenballon, den das Zentrum für Politische Schönheit mit der zartfühlenden Aufschrift «Flüchtlinge fressen» in einer «Bundeserpressungskonferenz» aufgeblasen hatte, schlaff in sich zusammen: Kein Flüchtling wurde gefressen, und kein Syrer gelangte an Bord der «Joachim 1» von Izmir nach Berlin Tegel. Denn beides hatte das...
Theater heute Ende vergangenen Jahres meldeten die Pressestellen Ihrer Spielstätten, dass der Haushaltsausschuss zur Förderung eines neuen Verbundprojekts von sieben internationalen Produktionshäusern zwölf Millionen Euro für die nächsten drei Jahre bereitgestellt hat. Beteiligt sind Mousonturm, FFT Düsseldorf, HAU Hebbel am Ufer, Kampnagel Hamburg, Hellerau, PACT...