Hamburg: Völker, zur Sonne!
August Engelhardt hatte das Pech der frühen Geburt. Der 1875 geborene Gründer des Sonnenordens, der von 1902 bis zu seinem Tod 1919 auf der eigens erworbenen Insel Kabakon in der Kolonie Deutsch-Neuguinea lebte, wäre dort hundert Fortschrittsjahre später wohl weniger einsam geblieben.
«Heitere, jauchzende Sonnenkinder, die nichts zu ihrem Leben brauchen als Sonnenlicht von außen – die Tropensonne – und Tropenlicht von innen – die Kokosnuß», so beschrieb schon leicht hirnerweicht August Bethmann – einer der seltenen Inselbesucher – die nicht vorhandenen Bewohner von Engelhardts Utopia.
Heute, wo noch der aufgeklärteste Bürger in die post-religiösen Heilsversprechen von Rohköstlern, Osteopathen und arjuvedischen Ölgüssen investiert, würde Engelhardts Sonnenkolonie vermutlich als Wellnessoase prächtig florieren. Burn out your burnouts!
Der Schriftsteller Christian Kracht, der das Schicksal des historischen Engelhardt in seinem 2012 erschienenen Roman «Imperium» fiktionalisierte, hat den Zusammenhang von Kolonialismus und Zivilisationsmüdigkeit im ironischen Thomas-Mann-Duktus kenntlich gemacht. Auch Bühnenbildner Stéphane Laimé greift ihn in seiner Raumgestaltung für Jan Bosses ...
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Theater heute Juni 2015
Rubrik: Chronik, Seite 56
von Eva Behrendt
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