Der Künstler in den Augen des Wirtschaftsministeriums

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In den verrammelten Laden im Erdgeschoss, der schon seit Jahren leer steht, sei endlich einer eingezogen, ein Künstler, behauptet der Nachbar, ein arbeitsloser Schreiner. Er werde ihm beim Renovieren helfen. Der heruntergekommene Laden solle Kunstatelier und Galerieraum werden.

Mein Freund, der Maler ist, zuckt, als er diese Wortkombination hört, zusammen, und das nicht, weil Arbeits- und Verkaufsraum in einem «Galerieatelier» beziehungsweise einer «Ateliergalerie» zusammenfallen, was zu einer reinen Verkaufsmalerei, andererseits aber auch zu einem Malereiverkauf führen kann, nein, mein Freund, der Maler ist, weil er malt und malen kann, zuckt ein wenig zusammen, weil er bereits eine kleine Staffelei durch das wieder offene Schaufenster erspäht hat, auf der eine ebenso kleine und, wie mein Freund behauptet, schrecklich dilettantische, völlig indiskutable Malerei steht, mit der er nichts zu tun haben will.

Der schlaksige Schreiner aber, den ich sonst oft so deprimiert und untätig durch die Gegend schlurfen sehe, Jutebeutel hin- und hertragend, freut sich. Er freut sich, weil er gebraucht wird, denn er schreinert gern, am liebsten in alternativen Zusammenhängen, und er freut sich, ...

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Theater heute Jahrbuch 2012
Rubrik: Das Theater mit der Kreativität, Seite 6
von Felicia Zeller

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