Akte des Sprechens

Theater ist eine kollektive Kunst», befindet (und praktiziert) der Regisseur (und seit Herbst 2011 Intendant der Stuttgarter Staatsoper) Jossi Wieler. Und er sucht (und findet nicht immer) zusammen mit Dramaturgen, Bühnenbildnern, Dirigenten und Darstellern die gesellschaft­liche und individuelle Wahrheit, Triftigkeit, die Gegenwärtigkeit der Bühnenvorgänge. Elfriede Jelinek hat das anlässlich der «Alkestis»-Inszenierung (2007 an den Münchner Kammerspielen) auf den Punkt gebracht: «Der Mythos als Familien-Konversationsstück, das Private als das Politische (...

) keine Ahnung, wie ein Regisseur so was schafft.» Jelineks Text steht mitten in dem Band, den Hajo Kurzenberger zur Arbeit Jossi Wielers herausgegeben hat.

Elfriede Jelinek hat gute Gründe, Jossi Wieler zu preisen, hat er doch fünf ihrer Stücke inszeniert. Zuerst «Wolken.Heim» 1993 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, den Text um sechs Soldatenwitwen und -töchter in einem bunkerähnlichen Raum Anna Viebrocks (mit der Wieler seit 1984 einige Dutzend Inszenierungen erarbei­tete), die Wieler zur beklemmenden Vergangenheitsübermacht konkretisierte. Und zuletzt 2008 «Rechnitz (Der Würgeengel)» – da ließ Wieler die von der Autorin ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute August/September 2012
Rubrik: Magazin: Bücher, Seite 70
von Henning Rischbieter

Weitere Beiträge
Enthemmte Schreckgespenster

Der Feldforscher Alfred Loth, den Matthias Redl­hammer redlich spielt, weder im positiven noch im negativen Sinn besonders überschwänglich – dieser also ziemlich langweilige Loth trifft im Partyzelt, wo man Champagner und Austern meist im Stehen verzehrt und Abfälle auf den Boden kippt, auf eine bunt gemischte, kaputte Truppe: Da wäre der Ingenieur Hoffmann,...

Die Gesetze des gemeinsamen Erscheinens

Terry, die Performerin mit den langen, etwas zersaust wirkenden Haaren, setzt ihre Worte in ihrem ganz eigenen Rhythmus, mit Bedacht, ein wenig schleppend: «Eine gute Geschichte braucht einen guten Anfang, Charaktere, Vorbilder, beste Freunde, Feinde, Überraschungen …» Die Aufzählung zieht sich in die Länge. Während Terry spricht, macht sich unter den fünf anderen...

Sein Brecht

Wahrscheinlich wäre Ernst Schumacher einverstanden gewesen, wenn man ihn als «stur» bezeichnet hätte, und zwar in der oberbayerischen Lesart des Begriffs. Also eher hartnäckig und zäh als dogmatisch; eher unbeirrbar und störrisch als ideologisch, wobei es zwischen den semantischen Feldern durchaus Überschneidungen gibt.

Er stammte aus bäuerlich katholischen...