Jeder darf ausreden
«Ich komm’ aus Kreuzberg, du Muschi!», rotzt die 15-jährige Tanutscha ins Telefon, als ihr Chatpartner am anderen Ende der Leitung vermutet, sie stamme aus gutbürgerlichen «Zehlendorf»-Verhältnissen. Ein Jahr lang hatte die Regisseurin Bettina Blümner Kiez-Alltag und markantes Selbstmarketing der Freundinnen Tanutscha, Klara und Mina mit der Kamera
begleitet und zum preisgekrönten Doku-Filmporträt «Prinzessinnenbad» verdichtet.
Im
Film drang aus dem alleinerziehenden weiblichen Familienhintergrund nur die pädagogische
Leitregel «kein Heroin und nicht schwanger werden». In ihrer ersten Theaterarbeit rückt Blümner die Familie nun in den Vordergrund und versucht dabei, ebenso nah wie im Film
am echten Leben unter Fremdbeobachtungsbedingungen zu bleiben.
Dabei ist das pädagogische Bühnen-Konzept viel optimistischer: «Wir machen uns
gegenseitig keine Vorwürfe», «Wir konzentrieren uns auf die Zukunft» und «Jeder darf ausreden». − Klappt natürlich (so) einfach nicht. Vor allem, wenn die Kommunikationsregeln des «Familienrats» – ein Modellversuch aus der Praxis des Berliner Jugendamts Mitte – erst dann ausgerufen werden, wenn sich das Jugendamt schon öffentlich Sorgen macht. Mit der Kamera ...
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Theater heute Mai 2011
Rubrik: Chronik, Seite 52
von Anja Quickert
Immerhin ein kleiner Mann sieht nach der großen Revolution noch so aus wie vorher: der Hausmeister (Dilaver Gök). Der darf im klischeegrauen Mantel auf die Bühne schlurfen und saubermachen, wenn die Herrschaften Revolutionäre beim heftigen Disput für und wider ein Guillotinen-Blutbad mal wieder den Konferenzraum verwüstet haben. Und was hat er selbst von der...
Das ist die Grundfrage am Anfang jedes Stückeschreibens: Guck ich rein oder raus? Rein ins Dunkle des scheinbar heilen Familienlebens oder raus in die Welt, auch kein erfreulicher Anblick? In Bochum begibt sich Reto Finger ins «Haus am See», wo sich die erweiterte Familie alljährlich trifft und es diesmal mit einem unerwarteten Gast ans Eingemachte geht (R: Anselm...
Das Lesen kann einen manchmal auf fast so dumme Gedanken bringen wie z.B. das
Spielen von «Counter Strike». Das gilt offenbar vor allem für die Lektüre von Dostojewski
und vor allem, wenn man ihn nur halb versteht. Die Wiedergänger der «Dämonen»-Helden aus Dostojewskis 900-Seiten-Roman von 1873 jedenfalls, die in Kornél Mundruczós «Zeit
der Besessenen» als «vierte...