Theater heute Juni 2007
Foyer
Dreimal ist Bremer Recht!
Klaus Pierwoß tritt ab – nach 13 Jahren an der Spitze des Bremer Theaters und zahllosen kulturpolitischen Auseinandersetzungen. Ein opulenter, fast 600 Seiten starker Band dokumentiert sein streitbares Theater. In einem Beitrag darin beschreibt Pierwoß die lange Reihe der Etatkürzungen und politischen Übergriffe. Im Folgenden eine Passage vom Beginn der letzten Vertragsverlängerung 2003.
Theater Morgen
Im Theater ist die Wirklichkeit am geilsten
Zukunftsvergessenheit kann man dem deutschen Theater nicht vorwerfen. Eventuelle künftige Akteure schnuppern erste Theaterluft in den Schulen im «Darstellenden Spiel», jetzt auch Abiturfach. Das Junge Schauspielhaus in Hamburg trainiert künftige Abonnenten in der Zuschaukunst und ist dabei viel erfolgreicher als das Mutterhaus, und im Thalia Theater in der Gaußstraße war schon zum vierten Mal das «Körber Studio Junge Regie» zu Gast mit Diplominszenierungen von Regie- und Schauspielschulen. Volle Kraft voraus!
Eine kleine Geschichte vom Glück
In Hamburg arbeitet man seit Friedrich Schirmers Amtsantritt an den zukünftigen Zuschauern, an der Abschaffung des Plüschs und der Auflösung von Grenzen
Wie wollen wir leben?
Ob Theatermacherin oder -kritiker: Man kann gar nicht früh genug damit anfangen zu zeigen, was man kann und sagen will. Das Hamburger Festival «Körber Studio Junge Regie» lud zum vierten Mal zeh Diplominszenierungen von Regie- und Schauspielschulen ins Thalia in der Gaußstraße. Stephan Schwarz, der zusammen mit anderen angehenden Kritikern und Kulturjournalisten das Festival begeitet hat, zieht ein Resümé
Neue Stücke
Versöhnlicher Phantomschmerz
Regie-Entdeckung Tilmann Köhler und die neueste Platten-Dramatik: Tine Rahel Völckers «Die Höhle vor der Stadt in einem Land mit Nazis und Bäumen» in Weimar und Thomas Freyers «Separatisten» am Berliner Gorki Theater
Grüße aus Mythonos
Alte Geschichten, neu erzählt: Dimitré Dinevs «Das Haus des Richters» und Karin Beiers «Maß für Maß» frei nach Shakespeare in Wien
Porträt
Ein Museumsstück von Mann
Wenn der Schauspieler Oliver Masucci nicht gerade in zumeist ungebrochener Virilität auf der Bühne des Zürcher Schauspielhauses steht, hegt und pflegt er seine Tomaten
Ausland
Launen von Zufall und Fügung
Bildermensch Robert Lepage erzählt mit «Lipsynch» eine neunstündige Familiengeschichte – und eine Geschichte der Stimmen
Nachruf
Mach et joot
Marie Zimmermann wurde 1955 in der Nähe von Aachen geboren, studierte Germanistik und kam 1985 zum
Theater – als Pressedramaturgin in Esslingen. Dem dortigen Intendanten Friedrich Schirmer folgte sie beruflich und privat, zuerst nach Freiburg, dann nach Stuttgart, wo sie von 1993 bis 1996 geschäftsführende Dramaturgin war. Von 1997 bis 2000 leitete sie das Festival Theaterformen in Hannover und Braunschweig, ab 2001 unter der Intendanz von Luc Bondy den Schauspielbereich der Wiener Festwochen. Ihre Arbeit dort unterbrach sie 2005 für ein Jahr, um mit großem Erfolg «Theater der Welt» in Stuttgart zu leiten. Von der Saison 2008 an hätte sie die Nachfolge von Jürgen Flimm als Intendantin der RuhrTriennale antreten sollen.
Am 18. April hat Marie Zimmermann ihrem Leben ein Ende gesetzt.
Chronik
Die Kinder mögen es
Showcase Beat Le Mot nach Preußler «Der Räuber Hotzenplotz»
Hörbares Elend
Debbie Tucker Green «Stoning Mary»
Immer schön vorwärts leben
Martin Heckmanns «Kommt ein Mann zur Welt»
Marlboro Light
Bernhard Studlar «Sonne, Wolke, Amerika»
Wilde Kirschen
Ingmar Bergman «Aus dem Leben der Marionetten»
Ratten im Polit-Betrieb
Lukas Bärfuss «Die Probe (Der brave Simon Korach)»
Entgleisung und Verzweiflung
Eugene O’Neill «Eines langen Tages Reise in die Nacht» (Badisches Staatstheater, Württembergisches Staatstheater)
Das Leiden am Ich
Schiller «Don Karlos»
Randalierst du noch, oder rebellierst du schon?
Christoph Nußbaumeder «Offene Türen»
Das Stück
Der kleine Vampir
No belief, no history: So beschreibt Englands lebender Klassiker Mark Ravenhill das politische Klima der Zeit. Ein Gespräch über Kunst, Krankheit und natürlich sein neues Stück «pool (no water)»
Einfach gut ausschauen
Matthias Hartmann dirigiert die kleine Künstlerkommune, die zur deutschsprachigen Erstaufführung von Mark Ravenhills «pool (no water)» in Zürich antritt
Daten/Festivalkalender
Medien/TV
Bein oder Kette?
Slowakische Folterknechte, menschliche Truthähne, geschlossene Räume: Der Horrorfilm der «Exploitation»-Generation ist in einer Phase angekommen, in der Erfahrung selbst schon Folter ist
Rau, schön, cool
Die renovierte «Woche des Hörspiels» an der Berliner Akademie der Künste öffnet sich Soundart und Performance
Magazin
Das Kartoffel-Konzept
Theater geht in die Produktion: Im brandenburgischen «Bauerntheater» des New Yorker Künstlers David Levine baut der Method-Actor David Barlow eine halbe Tonne Kartoffeln an
«It’s a Sinn!»
Herbert Fritsch und Sabrina Zwach setzen die hamlet_X-Recherche fort: diesmal im Medium Kunstbildband – «Interpolierte Fressen»
Die richtige Form der Beine
Schon Konstantin Sergejewitsch Stanislawski (1863–1938) wusste, dass es auf der Bühne nicht nur um innere Werte geht: der Regisseur als Fitness-Trainer und Körperbild-Designer. Bernd Stegemann hat Tausende von Seiten des Meisters zum «Stanislawski-System» auf 430 Seiten kondensiert und dabei um hunderte Anekdoten erleichtert: ein lesenswerter Auszug, der den Meister erschöpfend zu Wort kommen lässt