Zurüstungen für die Gegenwart
Vermutlich lässt sich in keinem anderen Medium das Nützlichkeitsdenken besser und paradoxer verhandeln als im Theater. Denn dessen Erzeugnisse kann man bekanntlich nicht ins Regal stellen und nicht an die Wand hängen, sie werden nie im Leben einen aktienähnlichen Wertzuwachs erleben, und das Abo im Stadttheater befördert heute nicht mal mehr den sozialen Status. Sie sind nichts als Augenblick.
Da sind sie also am richtigen Platz, die Anti-Helden in den neuen Stücken von Anne Lepper und Lukas Bärfuss, die nicht hineinpassen in unsere Welt des Schneller, Höher, Weiter, Schöner, Schlanker, Effizienter.
Zauberberg der dicken Kinder
Wie die Kinder in «Hund wohin gehen wir», mit dem Anne Lepper, 1978 in Essen geboren, 2011 beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens einen Werkauftrag gewonnen hat. Das Stück spielte in einem klaustrophobischen Waisenhaus, in dem Kinder auf eine Welt draußen vorbereitet werden, die sie vermutlich nie erblicken. «Seymour oder Ich bin nur aus Versehen hier», das Stück, das jetzt fürs Schauspiel Hannover entstand, bleibt diesem Setting treu und schickt seinen Protagonisten Leo zu den dicken Kindern Max, Oskar, Heidi und Robert auf einen Zauberberg der ...
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Theater heute März 2012
Rubrik: Aufführungen, Seite 28
von Barbara Burckhardt
Gelächter gleich in der ersten Minute. Eine Horde drolliger Insassen von irgendwas lümmelt auf Kinderstühlen, getriezt von einer ruppig-patenten Kommandeuse in Schuluniform und Pumuckl-Perücke – nicht gerade das, worauf man bei Sarah Kane gefasst ist. Und doch hat dieser mutwillig-regressive Schabernack, den Johan Simons da auf fast leerer Bühne der Münchner...
Das Thalia Theater hatte mich gebeten, für Helmut Schmidt ein Stück zu spielen. Ganz privat, in seinem Haus in Langenhorn. «Welches Stück? In was für einem Raum?», fragte ich. «Eines von deinen Solo-Programmen. In seinem Wohnzimmer. Dreißig Minuten Zeit für die Einrichtung.» Gut, dachte ich, dann machen wir «Amerika» von Kafka.
Das Vorhaben schien unwirklich, doch...
Ja, die Zeit. Sie ist schon ein bisschen stur, wie sie so unverdrossen immer nur in eine Richtung voranschreitet und gar keine Wiederholung zulässt. So lautet der Tenor von Elfriede Jelineks Stück, das sich einmal mehr als widerständige Textmasse gibt, sich auf Schuberts «Winterreise» bezieht und ein Triptychon mit persönlichen Tönen ist: Zuerst geht es um die Zeit...