Wollsocken für die Front

Luk Perceval inszeniert den zweiten Teil seiner Belgien-Trilogie «YELLOW – The Sorrows of Belgium II: REX» als Schwarzweißfilm am NT Gent

Wie deutsche Bürger zu Nazis wurden, meinen wir zu wissen, aber in Belgien sieht es mit Aufarbeitung verbrecherischer Vergangenheit etwas anders aus, wie man auch den unkritisch kolonialen Königsskulpturen mit dankbaren Sklaven zu Füßen im ganzen Land immer noch ablesen kann. Nach der Auseinandersetzung mit den belgischen Massakern im Kongo hat sich Luk Perceval im zweiten Teil seiner Trilogie «The Sorrows of Belgium» für das NT Gent der Begeisterung Flanderns für den Faschismus gewidmet.

 

Erzählt wird in seinem Schwarzweiß-Film die Geschichte einer Familie: Vater, Mutter, Tochter, zwei Onkel, in langsamen Großaufnahmen. Wie aus der Zeit gefallen wirken die Bilder, elegant angelehnt an die 1930er Jahre die Kostüme mit Kniestrümpfen, Kragen und kurzen Hosen (Kostüme: Ilse Vandenbussche). Sohn Jef hat sich freiwillig für die Ostfront gemeldet, es klagt die Mutter über den Auszug des sensiblen Sohns, der seine Nase stets in Bücher und Finkenzucht steckte, es freut sich der Vater über den Männlichkeitsschub und gibt Tipps für den Schützengraben: «Wanderschuhe mit Wollsocken.» 

Herzzerreißende, aber patriotisch entschlossene Briefe schreibt Jef nun von der Front, sie kommen aus einem ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juni 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 51
von Dorothea Marcus

Weitere Beiträge
Im Fluss der Bilder

Das Grundprinzip eines Kaleidoskops sind mehrere zueinander gestellte Spiegel, die sich ständig bewegen und so abstrakte, nur schwer entschlüsselbare Bilder entstehen lassen. Anne Ehrlichs Bühne für den «Woyzeck»-Livestream aus dem Hannoverschen Schauspielhaus ist eine Art riesiges Kaleidoskop: Die Drehbühne bewegt sich, die Schauspieler*innen bewegen sich, die...

Neue Lüftungsanlage gefällig?

Dorion Weickmann Wer kann jetzt welche bühnentechnischen Neustart-Mittel beantragen? 
Wesko Rohde Das Programm ist hauptsächlich für Privattheater gedacht, davon gibt es schätzungsweise tausend in Deutschland. Rund 600 Förderungen haben wir beim ersten Mal vergeben. Gefördert wird jede pandemiebedingte Investition: vom Desinfektionsmittel über kontaktloses...

Das Verhältnis von Natur und Kultur neu erzählen

Eva Behrendt Sie nutzen gerade Ihr Forschungssemester, um möglichst viel durch Deutschland zu wandern, Interviews mit Menschen auf der Strecke zu machen und am Ende ein Buch zu schreiben. Ist das die neue Corona-bedingte Wanderlust, oder haben Sie dabei vor allem Theater im Hinterkopf? 
Stefanie Wenner Ich habe mich jetzt zwei Jahre lang damit befasst, wie Kultur...