Wo die Kraniche ziehen
Manchmal genügt ein Satz, um zu wissen, wann und wo ein Stück spielt. «Es wird nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wird», meint die Kreisleitung. Damit wäre alles gesagt über die späte DDR und ihren Untergang: ein Staat, der sich nicht um die Wünsche seiner Bürger schert, sondern diese im Gegenteil autoritär dazu verdonnert, den Mangel zum Wunsch zu erklären.
«we are blood» beginnt im Sommer 1985 in einer idyllischen brandenburgischen Landschaft mit einer munter-rustikalen Funktionärsszene, wie sie dem jungen Heiner Müller aus der Feder hätte fließen können. Stellvertretender Minister schickt seinen alten Kumpel und Chefingenieur beim fröhlichen Datschenwochenende zur Großbaustelle ins Ausland, während dessen Freundin sich gerade aufs Kind freut. Und noch bevor der Konflikt zwischen Politik und Privat richtig aufwallt, geht am Horizont ein Kernkraftwerk hoch, das die DDR tatsächlich gebaut hätte, wenn sie nur alt genug geworden wäre: ein Reaktor vom bewährten Tschernobyl-Typ. Man wird Fritz Kater alias Armin Petras keinesfalls unterstellen können, dass er die alte DDR schönschreibt oder sich ostalgisch der Vergangenheit an den Hals kitscht. Aber man wird ihm auch nicht ...
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Eine Scheinhochzeit. Das ist ein Anlass, bei dem der Prosecco in der Regel wärmer ist als die Stimmung. Zwei Menschen küssen sich, nicht aus Liebe, sondern weil sie sich voneinander Sicherheit versprechen.
Tilman und Sveta sind in der Straßenbahn aufeinander gestoßen. Ein einsamer Ex-Langzeitstudent und eine heimatlose Weißrussin, die bei Rebecca Klingenberg ständig...
Seine seiner ersten Amtshandlungen, erzählt Peter Carp, sei es gewesen, eine großformatige Fotografie an die Außenwand des Theaters am Will-Quadflieg-Platz zu hängen. Nicht Quadflieg, den Oberhausener Mimen, zeigt das Foto: Nein, da sitzen zwei alte Sizilianerinnen auf ihren Klappstühlen mitten auf der Gasse. Die Plakatwand vermittelt nicht nur süditalienisches...
Der Titel der fünften Wiener Pollesch-Arbeit klingt gut, hat mit dem Stück aber weder inhaltlich noch formal etwas zu tun. «Peking Opel» handelt nicht von der Krise bei General Motors, sondern von der Krise des Dramas, und Pollesch bedient sich dafür nicht etwa altehrwürdiger asiatischer Theaterformen, sondern greift abermals auf den Hollywood-Fundus und aktuelle...