Wien: Zahnlose Zombies
Sie sehen aus, als wären sie einer «Körperwelten»-Ausstellung entsprungen, die Muskelstränge sind freigelegt, das Skelett zeichnet sich am Brustkorb ab, fahle Haarbüschel bedecken ihre bleichen Schädel: Drei Wesen, die mehr tot als lebendig scheinen, torkeln auf die Burgtheater-Bühne (Kostüme: Victoria Behr). Stéphane Laimé hat einen weiteren Balkon gebaut und setzt so den Zuschauerraum fort. Sein Raumkonzept macht deutlich: Es gibt kein Entkommen. Aber auch: Alles ist Theater.
Zwei Ansätze, die sich allerdings in dieser stark eingedampften Inszenierung von «Macbeth» in die Quere kommen. Wo Horror sein sollte, ist nämlich meist nur schräges Kostümfest.
Antú Romero Nunes hat den blutrünstigen Shakespeare-Klassiker auf 90 Minuten reduziert und lässt ihn von nur drei Schauspielern stemmen: Ole Lagerpusch ist Macbeth, Christine von Poelnitz Lady Macbeth und Merlin Sandmeyer schlüpft in die Rollen ihrer Opfer. Zudem verkörpern die drei aber auch jene Hexen, deren Weissagungen den blutigen Reigen erst in Gang setzen. Im Zentrum einer Fassung, die weniger auf Handlung, mehr auf Stimmung setzt und auf der Übersetzung von Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens basiert, steht die Ermordung von ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Juli 2018
Rubrik: Chronik, Seite 55
von Karin Cerny
Wehmütig flockt eine Melodie durch den verlassenen Raum. Sehr lang sei es her, verkündet der Refrain, «it is a very long time, a very long time ago». Was lange her ist, verkündet er nicht. Das müssen der stille Ort und seine merkwürdigen Menschen, die nach und nach und mit Teetassen bewaffnet auf die Bühne tröpfeln, schon selber erzählen.
Schau- und Werkplatz...
Das Denken muss kalt sein, sonst wird es familiär.» Schreibt Friedrich Nietzsche. Einar Schleef, der dessen «Ecce Homo»-Monolog in Form und mit sich selbst als brillantem Rhetor auf die Bühne brachte, war im Denken kalt und im Fühlen hochentzündlich. Provokation lag bei Schleef höchstens in seinem Willen, mit dem ein Unzeitgemäßer – und auch Wagnerianer – Rituale...
Die vermeintlich großen Dramen des kleinen Menschen führen zu vielen Absurditäten im Leben, und manchmal haben sie extreme Folgen. Die meisten Theaterstücke erzählen aber im Kern nicht von Mord und Totschlag, nicht von Glückseligkeit, vom Himmel auf Erden, sondern davon, was Menschen alles aushalten, wie sie das durchstehen, was ihnen unerträglich scheint. Das...
