Welcome, Barbaren!
Besonders vertrauenserweckend sieht dieser Gerichtshof nicht aus: Die Toten und Erschlagenen des Stücks – Agamemnon, Kassandra, Klytämestra und Aigisth – kehren als blutverschmierte Gräuelleichen wieder, erklimmen ein mikrofonbestücktes Podium und bekommen von einer Elektra, die auch Pallas Athene sein könnte, vier kissengroße Richterperücken übergestülpt. Allerdings entpuppen sie sich weniger als die erhofften Gerechtigkeitsspender denn als Verfahrensspezialisten in eigener Sache.
Sie interessieren sich deutlich stärker für die Mineralwasserversorgung am Tisch als für die Verteidigungsrede des Orest, der für seinen Monolog vor den zerstreuten Oberrichtern dreimal neu ansetzen muss. Und als die vier auch noch ihre praktischen Richterhämmerchen gefunden haben, ist es mit der Konzentration endgültig vorbei. Erst zerdreschen sie lustig ein Wasserglas, dann das Verfahren. Bevor auch nur ein Stimmstein geworfen wird, ist das einseitige Erynnien-Plädoyer gegen Orest in ordentliche Rechtsform gegossen: «Für welchen Staat ist dieser Mann noch tragbar?»
Der letzte Vernunftoptimist: Peter Stein
Mit dieser kleinen Szene hat auch Regisseur Roger Vontobel im Essener Grillotheater Aischylos’ ...
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Aus dem «urschleim» sei «doch immer was geworden», stellt Stamm fest, «vielleicht nich immer wunschprogramm alter, aber immer irgendwas […] n fleck leben im brustkorb». Die Sätze, die Dirk Laucke in «wir sind immer oben» denjenigen in den Mund legt, an denen der Wohlstand vorbeigezogen ist, sind so lebendig, dass sie zu atmen scheinen. Lauckes Sprache ist...
Theater heute John von Düffel, vor drei Jahren haben Sie für das Thalia Theater in Hamburg Thomas Manns «Buddenbrooks» dramatisiert, ein Stück, das nicht nur bis heute dort auf dem Spielplan steht, sondern in dieser Saison an zahlreichen Theatern nachgespielt wird. Worin besteht die künstlerische Herausforderung, wenn man aus einem 700-Seitean-Roman einen...
Franz Wille Herr Hofmann, Sie kuratieren das renommierte Festival «Politik im Freien Theater», das im November in Köln stattfindet. Das fordert zwei Fragen heraus: Was ist Freies Theater, und was ist politisches Theater?
Rainer Hofmann Das versuchen wir herauszu-finden. Von den vier Worten «Politik im Freien Theater» weiß ich nur, was «im» heißt. Zu allem anderen...