Warten auf die Katastrophe
November 2014. In zwei Wochen beginnen die Proben zu «Zement» von Heiner Müller am Maxim Gorki Theater. Dieser Stoff war ein Vorschlag des Hauses, den ich mit Freude angenommen habe. Also musste ich «Zement» wieder lesen und war einigermaßen gespannt darauf, welche Relevanz der Text jenseits seiner ästhetischen Qualität jetzt, genau 25 Jahre nach dem Mauerfall, noch hat. Ein erster Eindruck: Das Stück wirkt unglaublich schwergewichtig, die Fabel scheint weit weg von unserer deutschen Gegenwart und ihren Problemen.
Sprachlich wirkt «Zement» wie das Libretto einer Oper und ist auf eine faszinierende Weise unzeitgemäß. Wie kann man sich trotzdem annähern?
Geschichte in die Zukunft spiegeln
Einige Autobahnfahrten Berlin–München, München–Berlin. Ich höre Müllers MP3s, 36 Stunden Material. Die Ton- und Videodokumentationen haben von 2014 aus betrachtet erschreckend prognostische Fähigkeiten. Woher kommt diese Prophetie? Aus seiner genauen Kenntnis der Geschichte? Aus den damals noch verfolgbaren Ableitungen ihrer Prozesse und ihren Auswirkungen auf Literatur und Theater hat er eine Zukunft beschrieben, die nun für uns Gegenwart geworden ist.
Müller hatte die Fähigkeit, sich in seiner ...
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3./Samstag
20.15, ARD: Eine Liebe für den Frieden – Bertha von Suttner und Alfred Nobel Fernsehfilm (2014) von Rainer Berg, mit Birgit Minichmayr, Sebastian Koch, Philipp Hochmair, Yohanna Schwertfeger u.a., Regie Urs Egger
22.40, 3sat: Der Besuch der alten Dame
Literaturverfilmung (2008) nach Dürrenmatt, mit Christiane Hörbiger, Michael Mendl, Lisa Kreuzer, Rüdiger...
1 Heiner Müllers Stücke werden gegenwärtig wenig gespielt – trotz ihrer unbestreitbaren poetisch-sprachlichen Kraft, trotz ihres großen historischen Atems, den man bei kaum einem anderen neueren Autor findet, trotz der Brillanz seiner messerscharfen Formulierungen. Sie erleiden das Schicksal der ganz aktuellen Zeitung von gestern, die stets als das Älteste...
Als der Berliner Senat vor fast sechs Jahren vorschlug, aufgrund verhältnismäßig hoher Gewinne und Rücklagen die Subventionen für das Berliner Ensemble zu senken, drohte Claus Peymann im Boulevard-Blatt «B.Z.»: «Der Senat hat eine völlig verfehlte Subventionspolitik, das ist ein Irrenhaus. Aber ich hoffe, dass die Vernunft dort bald wieder einkehrt. Sonst bin ich...