Vom Sehnsuchtsraum hinterm Nadelöhr
Breitbeinig steht er da, der schmalbrüstige Jüngling Woyzeck, dünn und blass und rätselhaft. Winzige Gebärden, etwa ein leicht zur Seite geneigter Kopf, zeugen von seinem Weltverlust. Steifhalsig lehnt er sich schräg nach hinten, wenn jemand zu ihm spricht. Sylvana Krappatsch kann beides glaubwürdig spielen: gestandene Frauen und junge Männer, ja sogar Kinder. In «Schäfchen im Trockenen» schlüpft sie aus der genervten Mutterrolle mal schnell hinein in das eigene wollbemützte Aggro-Kind, das seine ebenso bewollmützten Geschwister mit dem Plastikdegen verdrischt.
Als Grillparzer-Medea qualmt sie eine Zigarette, während sie das Wesentliche still vor sich hin denkt. Man sieht, wie Mörderisches ihre Gedanken verdüstert. Da braucht es ihn gar nicht: den großen Monolog, der ihr zum größten Teil weggekürzt wurde. Es ist ihr feinzeichnendes, manchmal bis ins Tänzerische gehende körperliches Spiel, das Aufmerksamkeit einfordert, eine Sogwirkung erzeugt, für Wahrhaftigkeit sorgt. Wenn sie als Medea in Verzweiflung erstarrt, ja, körperlich gefriert angesichts von Jasons Untreue, Abweisung und Verrat, spielt sie das mit größter Intensität: diese völlige Überraschung über sein Verhalten, diese ...
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Theater heute Februar 2021
Rubrik: Akteure, Seite 12
von Verena Großkreutz
Wolfgang Schuch verdanke ich seit langem schon sehr viel. Sein Verlust berührt mich tief, insbesondere weil er einer der ersten Theaterleute außerhalb Kataloniens war, der sich für unsere Dramatik interessierte, sie verstand und wertschätzte. Was gleichermaßen auch für unsere Sprache gilt, für unsere ganze Art, zu sein und zu handeln, für die katalanische Kultur....
Emilia heißt das Neugeborene, dessen Kollektiv-Co-Mutter ich gerade geworden bin. Ihr Geschlecht hat ein Zufallsgenerator bestimmt. Zuvor wurden wir, das Online-Publikum von Interrobangs theatraler Zoomkonferenz «Livestream: Familiodrom», nach der Intensität unseres Kinderwunsches und dem sozio-ökonomischen Milieu befragt, in das das potenzielle neue Leben...
Wer sich in seinem Weltbild eingerichtet hat – und wer hätte das in gewisser Weise nicht –, sucht nicht unbedingt oft Gelegenheit, mit Verfechtern anderer Entwürfe darüber zu diskutieren. Dabei bleibt argumentatives Sparring mit Andersgesinnten – es muss gar nicht bis zur Extremdisziplin «mit Rechten reden» gehen – wichtig, um den eigenen Blick zu schärfen,...