Verstören, beschimpfen, umarmen
Trendbewusste Theatermacher pflegen zurzeit ja eher ein angespanntes Verhältnis zu ihrem Publikum. Abende, an denen Kulturaktivisten (wie neulich das Zentrum für politische Schönheit in Dortmund) exklusiv das Auditorium herunterputzen, weil es sich lieber in Yogastudios herumtreibe statt in Damaskus gleichermaßen aktiv gegen den IS und den syrischen Diktator Assad zu kämpfen, sind augenscheinlich im Kommen.
Am Staatsschauspiel Dresden segelt der Dramatiker Martin Heckmanns dieser Publikumsbeschimpfungs-Retro-Welle mit einer denkbar stromlinienunförmigen Parkett-Umarmungsoffensive entgegen. Statt als «abwärts schauenden Hund» auf der Yogamatte stellt sich Heckmanns den gemeinen Zuschauer als intellektuelle wie emotionale Rezeptionshöchstbegabung vor, an der das Theater lauter löbliche Dinge bewirkt und der den Publikumsbeschimpfungsreanimateuren mit schlichter Hermeneutik den Wind aus den Segeln nimmt. «Ich verstehe ja, dass dieses Theater uns verstören will, das ist seine Aufgabe», analysiert zu vorgerückter Stunde eine Dame im feschen Schwarzen ohne jede Pulsbeschleunigung. «Und dass ich schlussendlich auch noch dafür beschimpft werde ..., weil ich hier zuschaue und tatenlos ...
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Theater heute November 2015
Rubrik: Aufführungen, Seite 22
von Christine Wahl
Aachen, Theater
12. von Schirach, Terror
R. Elina Finkel
20. nach Ende, Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch
R. Martin Philipp
Aalen, Theater der Stadt
6. Simon, Sunny Boys
R. Tonio Kleinknecht
29. Hub, An der Arche um Acht
R. Kevin Osenau
Altenburg/Gera, TPT
2. Miller, Tod eines Handlungsreisenden
R. Bernhard Stengele
Annaberg, Eduard-
von-Winterstein-Theater
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Die Dramen sind nur so gut, wie ihre Zeiten schlecht sind. Wer wusste das besser als Heiner Müller? Mit dem Untergang der DDR sei sein Stoff verschwunden, ließ Müller schon kurz nach der Wende wissen. Der Stoff eines Landes, dessen Wirklichkeit bereits im landläufigen Sinne des Wortes «dramatisch» war, konfliktgesättigt, voller Zermürbungskämpfe in der Kluft...
Da stehen sie auf der Bühne. 23 Personen, davon sechs Schauspieler, der Rest Laien – und singen. Es ist eine Art chorischer Sprechgesang, den Marta Górnicka mit ihrem Ensemble eingeübt hat. Wie in ihrem festivalerprobten polnischen Frauenchor «Magnificat» oder «Requiemmaszyna» (s. TH 2014/10, S. 21) sind die Töne und Nuancen verwoben zu einem Klangteppich. Und wie...