Vermurkste Wahrheit
Alte Wunden eitern länger. Vor allem, wenn sie aus der Kindheit stammen. Wenn sie der Bruder, die Schwester gerissen hat, wenn sie einfach nicht heilen wollen, weil immer wieder jemand kommt und nicht vergisst und daran kratzen muss, an dieser dünnen Kruste, an diesen blutigen Flecken in der Erinnerung.
So geht es den Geschwistern in Daniel Mursas «Dreitagefieber»: Strik, Tanja, Ruth und Friedrich, alle um die 30, sind an dasselbe Schicksal gekettet, an ein Unglück, das auch eine Kains-Untat sein könnte, unaussprechlich und – daher bezieht das Stück seinen Suspense – lange auch unausgesprochen.
Dass so ein Verhältnis nicht gesund sein kann, ist bei der Uraufführung am Landestheater Tübingen unschwer zu erkennen. Strik frühstückt Brot und Zigaretten, als hätte ihm sein Existenzdesigner nichts Besseres beigebracht. Schwesterchen Tanja kommt und kichert unmotiviert, verliert ihr Kleid unmotiviert, fuchtelt unmotiviert. Nur ihre Albträume, die haben einen Grund. Tanjas Hirn ist aufgeschürft wie ihre Knie, zumindest legt Nadja Dankers’ Rollenverständnis am Rande des Nervenzusammenbruchs diesen Vergleich nahe. Till Bauer als Strik verströmt das Mitgefühl einer mechanischen Puppe im ...
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