Tanz den Vorschlag

Wie wär´s mit einem Radioballett im Hauptbahnhof? Die Hamburger Gruppe Ligna inszeniert Hörspiel-Performances im Stadtraum

Ende Mai 1969 erhielt der Westdeutsche Rundfunk in Köln mehrere hun­dert empörte Anrufe und Briefe von Hörern, denen Stimmen aus dem Radio seltsame Dinge befohlen hatten. «Lecken Sie beim Hören die Schaltknöpfe ihres Radios!» hatte der Ansager sie aufgefordert, «Pressen Sie ihren nackten Bauch gegen Ihre Fernsehmattscheibe!», «Stechen Sie sich mit einer Nadel einundzwanzig Mal und lassen Sie alle Elektro-Geräte in Ihrer Wohnung gleichzeitig laufen!» Hörer als Medien, das Radio als Hypnotiseur.

«100 mal Hören und Spielen» hieß Wolf Vostells halbstündiges Aktionsspiel, das der WDR am Abend des 19. Mai 1969 ausstrahlte.
Anfang Mai 2002 brachten mehrere hundert Menschen den Hamburger Hauptbahnhof durch ihr seltsames Verhalten aus dem Takt. Unheimlich waren nicht ihre Bewegungen als solche, dass auf einmal jemand mit leicht gespreizten Beinen da stand, die Arme ausgebreitet wie eine Schranke, dass jemand in die Luft griff, wie um eine unsichtbare Bremse zu ziehen, oder unvermittelt anfing, die eigenen Taschen zu durchsuchen. Das Gespenstische war, dass plötzlich über dreihundert Leute gleichzeitig aus der Rolle fielen, auf den Bahnsteigen, vor den Geschäften und im angeschlossenen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Mai 2005
Rubrik: Medien/TV, Seite 71
von Frank Kaspar

Vergriffen
Weitere Beiträge
Nordic Talking an der Seine

Der eine ist ein Luftikus und ein Lügner, und wenn ihm danach ist, macht er sich aus dem Staub. Auf den kann man nicht bauen. Der andere ist ein Wahrheitsfanatiker und ein Pflichtmensch. Wo andere kneifen, harrt er aus, und was er sagt, das tut er. Auf den ist Verlass. Der eine sucht sein Glück in der Freiheit, der andere sein Heil im Zwang.
Können Gegensätze größer...

Theatertelefonservice

Die oft schon totgesagte Tante Mitmachtheater ist der Schrecken nicht nur aller Kritiker. Tatsächlich erfreut sie sich außerhalb ihres klassischen Wirkungs­feldes, dem Kindertheater, immer noch höchst robuster Gesundheit. Zum Beispiel im Hebbel am Ufer, Matthias Lilienthals Berliner Spielstätten für die experimentelle Freie Szene. «Bitte zieht euch oben euer...

Forscher und Spökenkieker

Er gehörte zu den Schauspielern, die im Theater unverzichtbar sind: Hermann Lause, einer der Unverwechselbaren aus der Bochumer Schauspielerfamilie um Peter Zadek. Neben Eva Mattes, Ilse Ritter, Ulrich Wildgruber. Auch Wildgruber ist tot. Was macht das Theater jetzt ohne diese beiden großen Schauspieler, zwei Antipoden, die den Spielraum auf der Bühne neu vermaßen?...