Sportliche Zeilensprünge
Da steht ein junger Mann mit Bärtchen in einem kleinen Raum, der trotz seiner Transparenz – er ist aus dunklen Gazevorhängen gebildet – klaustrophobisch anmutet und als einziges Möbelstück einen schwarzen Stuhl enthält. Keinen Schrank. Der Mann mit Bärtchen heißt Wolf. Er raucht. Er trägt einen konservativen Anzug, eine dezent gestreifte Krawatte und einen Trenchcoat; sein Handy hat einen sehr schönen Klingelton. Wolf telefoniert mit seiner Frau/Freundin (einmal schmatzt er ein Küsschen aufs Handy) und mit einem Reisebüro, um einen Flug zu buchen.
Bei den Zeilen «nein ich möchte nicht / am fenster sitzen gang / ich bevorzuge den gang» wird er laut; anscheinend hat Wolf schwache Nerven. Und einmal telefoniert er auch mit seinem Vater, aber dafür benutzt er eine Zigarettenschachtel. Denn Wolfs Vater ist tot, man kann nicht wirklich mit ihm telefonieren. Das Vatertelefonat ist Theater.
Das Theater des Albert Ostermaier hat gewiss seine Verdienste. Seine Abstraktionsleistung und seine Fähigkeit, mit einem gewissen Chic zeitgeistige Themen und Sujets in eine geschmeidige Sprache zu bannen, übersteigt indes bei weitem seine szenische und dramaturgische Fantasie. Das Monodrama ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Dieser Trigorin ist nicht von hier. Nicht, dass er keine Manieren hätte, die Sprache nicht beherrschte oder der einzig Blonde unter Brünetten wäre. Es sind Nuancen, die den etablierten Schriftsteller aus Tschechows «Möwe» von der Theaterfamilie unterscheiden, in der er als Freund und Begleiter der Schauspielerin Irina Nikolajewna Arkadina (Eszter Csakanyi) zu Gast...
Manchmal scheint es, betrachtet man die Stücke jüngerer Dramatiker, als wären beruflicher Erfolg und eine halbwegs funktionierende Zweierbeziehung in erster Linie ein psychischer Härtetest, der unweigerlich zu tiefer Depression oder gar zum Amoklauf führen muss. Um sich die Leichtigkeit des Daseins erträglich zu machen, flüchtet das Personal mit Vorliebe in...
Wenn sie unterrichtet, steht die «Klavierspielerin» Erika Kohut, so wie Isabelle Huppert sie bei Michael Haneke spielt, gern am Fenster ihres Studierzimmers der Wiener Musikakademie und schaut nach draußen. Das Fenster ist geschlossen, der Raum schalldicht und gefühlsresistent abgedichtet. Eine Welt ohne Welt.
Auf der Bühne des Palais Garnier der Pariser Oper, wo...