Sonnenaufgang hinterm Schuldenberg
An diesem Münchner Winterabend herrscht längst Nacht, als nach neuneinhalb Theaterstunden die Sonne aufgeht. Eben haben Maja Beckmann, Majd Feddah, Gro Swantje Kohlhof, Wiebke Mollenhauer, Peter Brombacher (dessen Rolle mittlerweile Jochen Noch übernommen hat) und Benjamin Radjapour auf Kothurnen und Kunstrasen Fußball gespielt, was eher nach paralympischem Tanztheater aussah als nach einem Satyrspiel.
Dann legen sich Komponist Jonas Holle und Schlagzeuger Matze Pröllochs noch einmal richtig ins Zeug mit einem sich langsam steigernden, hymnischen Sound, während die Bühnentechnik in Zeitlupe einen aus gelben Rechtecken zusammengesetzten, großen Kreis in die Höhe zieht. Gemessen am realen Himmelskörper eine lächerliche, geradezu bescheuerte Sonne. Und doch lächelt das Publikum angesichts dieses Olafur-Eliasson-inspirierten, ganz und gar künstlichen Naturschauspiels verzückt, wischt sich Tränen aus den Augen oder macht Handyfotos wie auf einem Popkonzert.
Was Nils Kahnwald ganz am Anfang von Christopher Rüpings Theatermarathon «Dionysos Stadt» in einer Zukunftsvision versprochen hat, ist eingetreten: Nachdem die Welt kollabiert und untergegangen war, haben neben den Kakerlaken und ...
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Theater heute Mai 2019
Rubrik: Theatertreffen Berlin, Seite 38
von Eva Behrendt
Die Elfriede-Jelinek-Puppe, die Nikolaus Habjan 2013 für Matthias Hartmanns Inszenierung von «Schatten (Eurydike sagt)» im Wiener Akademietheater gebaut hat, kam seither immer wieder zum Einsatz. Stellvertretend für die Autorin nahm sie einen Nestroy-Preis entgegen, und erst kürzlich rief die Klappmaulpuppe mit den hochtoupierten roten Haaren auf YouTube zu...
Friedrich Schiller hat sein eigenes Stück in der Luft zerrissen. In seiner Selbstrezension schon kurz nach der Uraufführung 1781 in Mannheim wird die dramatische Konstruktion mitleidlos zerrupft. Die Figuren seien nicht «nach der Natur» gezeichnet, sondern nach den Lektüren des Verfassers. Er habe die Menschen «überhüpft», monströs einseitige Charaktere entworfen...
Die Tür im Eisernen Vorhang knallt, Niels Bormann kommt auf die Gorki-Bühne und sagt zur Begrüßung: «Entschuldigung». Haha, er ist wieder da: Vor zehn Jahren erfand sich der 45-jährige Schauspieler in der ersten israelisch-deutschen Koproduktion der Theatermacherin Yael Ronen als ultradeutscher, beflissen-klemmiger Wiedergutmachungsstreber, der zwar unter seinem...