Jürgen Nuth (Alterstummerdienerknech), Linda Pöppel (Martha) und Barbara Schnitzler (Mutter) in «Das Missverständnis», Regie Jürgen Kruse am Deutschen Theater Berlin; Foto: Arno Declair

Sie wollen nur spielen

Am Deutschen Theater setzen Ivan Panteleev und Jürgen Kruse mit Genets «Die Zofen» und Camus’ «Das Missverständnis» mörderische Frauen in Szene

Fröhliche Weihnachten: Es war das Wochenende der mordenden Frauen à la française im Deutschen Theater zu Berlin. Am ersten Adventssamstag brüteten im Großen Haus Genets «Zofen»-Schwestern den Mordplan an der gnädigen Frau aus, am Sonntag vergifteten in den Kammerspielen Mutter und Tochter Sohn und Bruder – immerhin nur ein «Missverständnis», aber eins der Camus’schen Art.

Nur fünf Jahre liegen die beiden Stücke der so unterschiedlich existenzialistischen Dichter auseinander.

Im Kriegsjahr 1943 schrieb Camus, der algerische Exilfranzose aus kleinsten Verhältnissen, dessen agnostische Weltsicht unverbrüchlich auf die Selbstverantwortung des Menschen setzte und (sehr zum Verdruss seines Kol­legen Sartre) jeden ideologischen Dogmatismus ablehnte, das «Missverständnis». Der Krieg war seit zwei Jahren vorbei, als der schwule Kleinkriminelle, Gefängnisinsasse und lebenslang unbehauste Genet, dem das «gegen die Welt sein» der Nährstoff seines Werks war, die «Zofen» verfasste, eine sado-masochistische Mordfantasie von düsterster Grundierung.

Aufgeräumte Zofen

Die treibt Ivan Panteleevs Inszenierung schon das Bühnenbild von Johannes Schütz gründlich aus. Die Spiegelschrankwand, die die ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Februar 2018
Rubrik: Aufführungen, Seite 20
von Barbara Burckhardt

Weitere Beiträge
Der Wiener zweier Herren

Es war, man traut sich das heute kaum zu sagen, keineswegs alles immer gut an Frank Castorfs Berliner Volksbühne. Nehmen wir zum Beispiel die Volksbühnenbulette. Mit Schaudern erinnere ich mich an den Premierentag, an dem ich kurz vor Vorstellungsbeginn am Volksbühnenbüffett eine solche original Volksbühnenbulette verzehrte. Hellbraun war ihre Farbe, knusperzart...

Grandhotel Abgrund

Von wegen, es gebe keinen Fortschritt: Gemessen an den neureichen, trunksüchtigen schlesischen Kohlebauern von 1889 hat sich im mittelständischen Bereich bis heute einiges bewegt. Es ziehen keine ausgehungerten depravierten Arbeiter aus den Bergwerken mehr durch die Straßen, die Unternehmer bekennen sich zu ihrer sozialen Verantwortung, wenn sie um ihre...

Bochum: Die Heimsuchung

Leben macht Lärm. Vogelgezwitscher, Straßengeräusche, Sirenen stimmen ein auf eine üppig instrumentierte Partitur dramatischer Stimmen und Stimmungen. «The Humans» – das Stück von Stephen Karam, das am Broadway Rekorde bricht und zum «best play 2016» ausgerufen wurde – geht es groß an. Eine Gattungsgeschichte? Nein, einfach eine Thanksgiving-Party in Chinatown/ New...