Scheitern am Erfolg

Deutsch-polnische Schnapsidee: Robert Glinski hat Günter Grass’ «Unkenrufe» mit Matthias Habich und Krystyna Janda verfilmt

Nach der Lektüre von Günter Grass’ so genanntem Wenderoman wäre man nicht gleich darauf gekommen, aber die Verfilmung bringt es an den Tag: Die «Unkenrufe» scheinen wie geschaffen fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen. Die Hauptpersonen sind schon etwas reifer, mithin im genau richtigen Alter für den Durchschnittszuschauer von ARD und ZDF; die Handlung bereitet ein ernstes, darüber hinaus zeitgeschichtlich relevantes Thema humorvoll auf; abgerundet wird das Ganze durch ein feines Maß an Kapitalismuskritik und unbedingtem Eintreten für die Völkerverständigung.

Beste Abendunterhaltung nennt man so etwas.

 

Das ist keineswegs abschätzig gemeint. Der Film zeigt nämlich eindrücklich, was das Fernsehen dem deutschen Kino oft voraus hat. Während dort erwachsene Figuren entweder nur in Nebenrollen oder als Extremcharaktere besetzt werden, ist der öffentlich-rechtliche Fernsehfilm das letzte Refugium, in dem tolle, erfahrene Schauspieler als Menschen wie du und ich zu sehen sind. Wenn sie dazu noch die Gelegenheit bekommen, aus den televisionären Standardsituationen – den neumodischen «Doku-Formaten», den altmodischen Krimistoffen oder der berüchtigten «Frauenaffinität» – auszubrechen, um ...

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Theater heute August/September 2005
Rubrik: Medien/TV, Seite 88
von Barbara Schweizerhof

Vergriffen
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