Roman: Grenzerfahrungen im Grenzland

Notizen aus der oberfränkischen Provinz: Michael Buselmeiers Theaterroman «Wunsiedel»

Wunsiedel in Oberfranken hat einen guten Ruf (Luisenburg-Festspiele für roman-tische Kulturtouristen) und einen schlechten (Rudolf-Hess-Grab für holzköpfige Nazi-Wallfah­rer). Für Moritz Schoppe, widerwilliger «Held» in Michael Buselmeiers neuem Roman, kommt noch eine dritte Eigenschaft hinzu: Wunsiedel ist «finster». Denn denkt Schoppe, der an einem durchaus heiteren Tag dort am Busbahnhof ankommt, an seine Gefühle, mit denen er 44 Jahre zuvor an selber Stelle zu kämpfen hatte, dann verkrampft sich sein Herz, und Bitternis und Trauer steigen wieder empor in ihm.

Mitte der 60er Jahre nämlich trat der junge Schoppe als Schauspiel-Eleve ein Engagement bei den Luisenburg-Festspielen an. Besetzt in einer völlig nebensächlichen Nebenrolle in Goethes «Götz», erlebt er nicht nur im «Felsenmeer» der Naturbühne im Fichtelgebirge sein künst­lerisches Fiasko («Kann auf der Freilichtbühne überhaupt so etwas wie Kunst entstehen?»); parallel dazu entwickelt sich zudem eine den noch sehr schwankenden jungen Mann verstörende, schleichend zermürbende private Liebes-Erfahrung. Auf beides hätte er gerne verzichtet.

Buselmeier, der unschwer selber zu erkennen ist in der Figur Schoppe, liefert sich ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute November 2011
Rubrik: MAGAZIN, Seite 62
von Bernd Noack

Weitere Beiträge
Polen: Die Network Polonaise

Was von den Schauspielern bei ihrem ersten Auftritt als «futuristisches thailändisches Bühnenbild» angesprochen wird, sieht wie ein kugeliger Bungalow vom alten Visionär Buckminster Fuller aus und erinnert zusammen mit dem aufgeschnittenen Container von Chasper Bertschinger an die legendäre Prater-Wohnfront. Die sieben Akteure haben jedoch etwas für eine...

«Nicht einmal ein Wort rührt uns an»

Am 11. März 2011 erschüttert ein Erdbeben der nie verzeichneten Stärke 9,0 den Nordosten Japans. Kurz darauf trifft eine ungeheure Tsunami-Welle auf die Küste.
Am Tag des Bebens wird von 133 Toten berichtet, am Folge­tag von 686, nur wenige Wochen später haben sich die Schätzungen auf 28.000 Tote und viele Vermisste erhöht. Mittlerweile spricht man von 120.000...

Wie ist die Lage?

Manche Sätze gehen einfach nicht auf Deutsch. Es sei denn, man hat schon ein halbes Bühnenleben hinter sich und kann sie derart tief empfunden vor sich hin näseln wie Peter René Lüdicke: «Was du dir eingelöffelt hast, das musst du auch wieder aussuppen.» Der ergraute Narr schaut seitlich über seine Schulter auf Susanne Böwe, die als seine Mutter Ekdahl mit kantigem...