Rätsel der Leidenschaft
Die Ehe war zu Racines Zeiten keine Angelegenheit romantischer Selbstverwirklichung, sondern eine Staatsaktion, zumindest in den höheren Ständen. Entsprechend problematisch war die Liebe, die als bestenfalls nachgeordneter Effekt den pragmatischeren Zwecken des Zwischenmenschlichen besser nicht in die Quere zu kommen hatte. Der Mensch des Ancien Régime fühlte sich ganz selbstverständlich als öffentlicher Verstellungskünstler, Authentizität des Gefühls nach außen ein schwerer Fauxpas. So anders waren einmal die Zeiten.
Solche Unterschiede über die Jahrhunderte ignoriert Torsten Fischer (Regie und Bühne) großzügig. Schräg zum Portal ist eine hohe weiße Wand gekantet, vor der sich mit größter Selbstverständlichkeit heutige Zeitgenossen in besseren Anzügen oder eleganter Hausgarderobe unterhalten. Ihr international Chic wird nur von einem unschönen Seelenproblem gestört. Phädra, die Herrin des eleganten Hauses, hat sich in ihren Stiefsohn verliebt und ist von ihrer Leidenschaft ziemlich mitgenommen. Corinna Kirchhoff, jeder Zoll eine souveräne Bühnenkönigin, leidet erkennbar an schwerer Liebeserkältung und trägt das verwundetste Gesicht der Saison. Ihr malerisch verheultes Antlitz – ...
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Theater heute März 2013
Rubrik: Chronik: Berlin, Seite 46
von Franz Wille
Bei allen Krisen, die das Hamburger Schauspielhaus regelmäßig (und derzeit besonders intensiv) durchmachen muss, kann man sich doch auf eines verlassen: Egal, wie schlimm es zugeht, die Verschränkung des größten deutschen Sprechtheaters mit dem hanseatischen Popkultur-Untergrund funktioniert zuverlässig. Entsprechend scheint die Dramatisierung von Tino Hanekamps...
Es beginnt mit einem Ende. Die letzten Töne einer festlichen Musik sind zu hören. Ein Tusch. Dann Applaus. Zwei Hände, Füße, dann der dazugehörige Mann schieben sich durch den Vorhang am hinteren Bühnenende. Nach und nach folgen ihm seine Mitspieler, dann stehen sie alle vor uns: drei Frauen, drei Männer. Gekleidet in Alltagsklamotten. Ein gefrorenes Lächeln auf...
Die Putzfrau mal schnell ein Ciabatta für die Mittagspause kaufen schicken und sich dann nicht mal für diesen Extra-Dienst bedanken – im Gegensatz zu seinem schlecht gelaunten Kompagnon in der auf In-Vitro-Fertilisation spezialisierten Privatklinik würde Sebastian so etwas niemals tun. Der geschiedene Arzt behandelt seine bulgarische Reinigungskraft Jana mit...