Radikal bunt?
Ohne Dildo geht fast gar nichts mehr.
Die Performerinnen Marja Christians und Isabel Schwenk kaschieren mit geschätzten drei Dutzend dieser knallfarbigen Gummidinger den erschreckenden Leerlauf und die erhabene Plattheit ihrer im feministischen Hoheitsanspruch steckenbleibenden Interpretation von Hebbels «Judith»; Florentina Holzinger schnallt sich einen mächtigen Penis-Ersatz vor den Bauch und dringt dann locker in den Anus ihres Bühnenpartners Vincent Riebeck ein, um in «Schönheitsabend» die Scheherazade-Geschichte auf einen eher zweifelhaften Höhepunkt zu bringen und sie mit Macht gehörig anders zu erzählen, als sie uns aus öden tausend-und-ein Nächten bekannt ist.
Gegen das «Repräsentationstheater»
Dass diese beiden Szenen nur als schale Aperçus beim Münchner Festival «Radikal jung» in Erinnerung bleiben, liegt vor allem daran, dass ihren Provokationen das Skandal-Mäntelchen viel zu groß ist. Altbackene Böse-Mädels-Streiche, in ihrer Ungeheuerlichkeit punktgenau berechnet – künstlich und «gefühlsecht» – wie solch eine Glied-Attrappe eben.
Warum der eine Abend «ab 16», der andere aber «ab 18» zugelassen war, obwohl bei ersterem zwei nackte Frauen agierten, beim zweiten nur ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Juni 2016
Rubrik: Festivals, Seite 44
von Bernd Noack
Bis heute, ein Dutzend Jahre nach dem finalen Ende, macht es in Frankfurt einen Unterschied, ob man die Tage des TAT miterlebt hat oder nicht. Dieses Theater hat das Bewusstsein der Interessierten dieser Stadt tiefgreifend und nachhaltig geprägt, verändert, beeinflusst, ihr Kunstverständnis, ihre institutionelle Kompetenz, ihre Unabhängigkeit. Heiner Goebbels...
Ein Schulkamerad steckt dem jungen Marcel in Prousts «Suche nach der verlorenen Zeit» mal einen Vers. Racine, sagt dieser Bloch, habe einen Alexandriner geschrieben, der rhythmisch ziemlich gut sei, aber darüber hinaus noch den viel größeren Vorzug besitze, dass er absolut nichts aussage. Und wie lautet dieser Vers? «La fille de Minos et de Pasiphaé» – die Tochter...
Wer würde schon ein Interview mit Edward Snowden ablehnen? Es war der meistgesuchte Whistleblower der Welt höchstpersönlich, der Regisseurin Angela Richter kontaktierte, nachdem sie mit ihrer crossmedialen Inszenierung «Supernerds» über die Avantgarde der Netzaktivisten in Austin/Texas auf Gastspiel gewesen war. Das Gespräch mit ihm steht im Zentrum ihrer neuen...