Puppen sind auch nur Menschen
Als der lettische Regisseur Alvis Hermanis jüngst ankündigte, sich von den deutschsprachigen Schauspielbühnen für eine Weile zu verabschieden, hatte er gerade eine Inszenierung fertiggestellt, die so etwas wie einen «Rückschritt» innerhalb seiner Arbeit darstellte und gleichzeitig eine Symbiose aus seinen künstlerischen Wurzeln und den gemachten Erfahrungen an den großen Theatern Europas war.
Hermanis, den man zusammen mit dem Ensemble des Jaunais Rigas Theaters vor Jahren zunächst auf (Figurentheater-)Festivals wahrnahm und feierte, verwob in Zürich mit und in seinem Kaspar-Hauser-Stück verblüffend zwei Welten miteinander: die kleine, beschränkte Wirklichkeit der Puppen mit den virtuosen Gestaltungsmöglichkeiten schauspielender Menschen.
Der Trick, lebendige Wesen wie willenlose Figuren von schwarzgekleideten Akteuren hinter ihnen durch die Szene und die Geschichte zu führen, verstärkte den Effekt, von dem jede Vorstellung des Puppentheaters lebt: Der Mensch delegiert seine Gefühle, Ideen, Handlungen, Ängste und Irrungen an Abbilder seiner selbst – doch irgendwo ist da immer der Punkt, an dem nicht mehr klar ist, ob das konstruierte Wesen in den Händen des Spielers nicht doch auf ...
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Theater heute Oktober 2013
Rubrik: Puppentheater, Seite 50
von Bernd Noack
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