Portrait Dimiter Gotscheff
Lustig ist Gotscheff nie, komisch nur manchmal, grotesk fast immer. Die Kategorie des menschlichen Mitleids stellt er nur zur Verfügung, wenn er Figuren inszeniert, auf die Heiner Müllers Satz «Und immer noch rasiert Woyzeck seinen Hauptmann» zutrifft.
Aus ihnen macht er Giacometti-Figuren, aber reine Opfer sind auch sie nicht, sondern in ihrem Opportunismus ein Stück weit mit Schuld an ihrer Lage. Für die Hauptmänner der Welt, also für uns, die meisten, die gesellschaftliche Mitte, hat er die Kategorie der Groteske, d. h.
die Verzerrung der Existenz zur Kenntlichkeit, und fällt vernichtende Urteile.
«Gotscheff, der nie Veterinärmediziner war, ist als Regisseur Veterinärmediziner geblieben. Bis in die Wortwahl. Er spricht bei der Arbeit von «Kreaturen» und «Kretins», «Kakerlaken», «Hunden», «Amöben», «Ratten» oder «Geiern», wenn er Menschen meint. Und er schließt sich selbst ein: «Schmeißfliege» oder «Parasit des Westens». Gotscheff spricht gerne so. Mit eben dem bissigen Gelächter, das er sich vom Zuschauer erhofft.
Die Grenze zur Menschenverachtung aber überschreitet er nie. Dies entspricht nicht seiner Haltung, es würde ihn als Künstler, der den Ausdruck für den Menschen sucht, ...
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Theater heute November 2008
Rubrik: Geburtstag Dimiter Gotscheff, Seite 60
von Joachim Lux
Zwei Schwestern im Geist sind Mascha und Julia, von Tschechow so entfernt wie ihre «Proletenstadt» Toljatti von einer Garnisonsstadt in der Provinz – also alles in allem nicht sehr weit. Die Unterschiede sind gradueller Art – das existenzielle Sehnen bleibt. Toljatti heißt nach dem ehemaligen Generalsekretär der italienischen KP Palmiro Togliatti und ist der Ort,...
spekulation.
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