Fabrikhallenfolklore

Kirill Petrenko dirigiert Dmitri Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk» in München mit elektrisierender Genauigkeit, Harry Kupfer findet dazu nicht die passenden Bilder

Seltsam, dass das im Nationaltheater München keiner komisch findet. Wenn die Solo-Posaune, drastisch vom b übers a und as zum g herabschmierend, postkoitale Erschlaffung illustriert und acht Takte später noch dreimal, im Gestus ähnlich, mit fallender Sekunde von versiegender Manneskraft quäkt. Es ist eine berühmt-berüchtigte Opernszene, unverstellt hat Dmitri Schostakowitsch in seiner Oper «Lady Macbeth von Mzensk» den Geschlechtsakt in Musik gesetzt – weil er, der nicht einmal 30-jährige Meisterorchestrator, es halt konnte.

Wie gepeitscht rammelt das Orchester und jault zum Höhepunkt auf. Das ist brutal und in seiner comicartigen Überzeichnung zugleich komisch – Schostakowitsch, ein Mann des Sowohl-als-auch. Aber bei der Premiere an der Bayerischen Staatsoper lacht keiner.

An Kirill Petrenko und dem alsbald aus einigen Ungenauigkeiten herausfindenden, fortan hochvirtuos aufspielenden Bayerischen Staatsorchester – besonders die vom Komponisten stark geforderten Holzbläser brillieren mit kaltem Witz – kann’s nicht liegen. In jedem Takt wird deutlich, dass der Noch-Generalmusikdirektor, wie es seine Art ist, jeden Ton wiegt, in seine Ordnung bringt, und keinen ...

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Opernwelt Januar 2017
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Götz Thieme

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