Nürnberg: Rechter Spaßprediger
Viele der besonders geistlosen Sprüche und Sentenzen, die man auf Kundgebungen der AfD und bei Volksversammlungen von Pegida hört, erinnern fatal an das Vokabular, das in Deutschland nach 1933 in vieler Munde war. «Lügenpresse», «Überfremdung» oder auch «Schmarotzer», angewandt auf Flüchtlinge, die derzeit hier Sicherheit suchen, sind Wörter, die Adolf Hitler in seinem (jetzt wieder zugänglichen) Buch «Mein Kampf» (seinerzeit für Juden) verwendete.
Dies könnte Roland Schimmelpfennig im besorgten Sinn gehabt haben, als er sein Familien-Drama «Wintersonnenwende» schrieb: Hier bricht ein Fremder – Deutscher aus Paraguay – höchst freundlich in eine nur zum Schein intakte Gemeinschaft ein, und erst mit der Zeit wird klar, dass seine butterweichen Erzählungen durchtränkt sind von ewiggestrigem Gedankengut.
Das Perfide daran ist, dass dieser korrekte Herr Rudolph (in Nürnberg geschmeidig gespielt von Heimo Essl) gar nicht im Sinn hat, seine Mitmenschen zu indoktrinieren. Vielmehr plätschern seine rassistisch gefärbten Sätze ganz langsam, wie nebenbei in die Köpfe der anderen. Die faschistische Rhetorik hat längst etwas harmlos Alltagstaugliches, und mit ihr lässt sich wieder verführen: ...
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Theater heute März 2016
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Bernd Noack
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