Monster sehen anders aus
Der ältere Herr, der aus dem Bühnendunkel ganz nach vorn an die Rampe tritt, sich setzt und mit den Beinen baumelt, sieht aus, als wolle er gleich mit dem Publikum schmusen. Zutraulich lässt Jean-Pierre Cornu seinen Blick über den Zuschauerraum wandern, forscht sehnsuchtsvoll in einzelnen Gesichtern. Ein melancholisches Lächeln spielt um die bitteren Lippen, als wüsste er, dass er mit seinem Schmerbäuchlein, das sich unterm halbtransparenten Seidenhemd wölbt, und der grau melierten Langhaar-Lockenpracht ein bisschen lächerlich ausschaut.
«Ich weiß wirklich nicht, warum ich so traurig bin», gesteht er leise, «es nervt mich. Andere nervt es auch.» Das intime Bekenntnis des venezianischen Kaufmanns Antonio, dessen Flotte sämtliche Weltmeere bereist, hat schon viele Deutungen erfahren: Von der ersten Altersdepression eines Bonvivants über die berufliche Krise des Risiko-Unternehmers bis hin zur unterdrückten Liebe zum flotten Bassanio.
Monster sehen anders aus
Auch Robert Hunger-Bühlers Shylock ist ein Geschäftsmann mit sanften Zügen und silbernem Haar, das sich orthodox von den Schläfen lockt. Um den weißen Hemdkragen liegt ein schwarzes Headset-Kabel, der Gebetsriemen des ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Daniel Schreiber Was halten Sie vom Phänomen der «Obamania»?
Werner Sollors Die überraschend guten Vorwahlergebnisse für Barack Obama in der Demokratischen Partei speisen sich aus den verschiedensten Quellen. Vorrangig ist wohl die weitverbreitete Vermutung, dass Obama, sollte er nominiert werden, bessere Chancen gegen einen Republikaner wie McCain hätte, weil er...
Erwin Geschonneck war schon 43 Jahre alt, als er in seiner Heimatstadt Berlin debütierte. In der ersten Aufführung des neugegründeten Berliner Ensembles, Brechts «Herr Puntila und sein Knecht Matti», spielte er den proletarischen Widerpart des Gutsbesitzers und Leuteschinders, den der von Brecht aus der Schweiz geholte Leonard Steckel schon bei der Zürcher...
Das Rührendste kam zum Schluss: Da verbeugte sich Nuran Calis inmitten seines Teams so ungelenk, so wacker bemüht, der Applaus-Etikette Genüge zu tun, dass der Beifall schier kein Ende nehmen wollte. Es war ohnehin ein Klatschen der gerührten Herzen. Wann hatte man zuletzt einen so ungehemmt naiv und unironisch gespielten Klassiker gesehen? So ungebrochen auf die...