Langeweile will gelernt sein

Saisonschluss in Wien: Alvis Hermanis inszeniert «Platonov» als Tschechow-Experiment, Dieter Giesing lässt Schnitzlers «Professor Bernhardi» Klartext reden. Von Wolfgang Kralicek

Alvis Hermanis wurde im Westen zwar mit Gogols «Revisor» bekannt; berühmt aber ist der lettische Regiestar nicht für seine Repertoireinszenierungen, sondern für semidokumentarische Abende wie «Das lange Leben» oder «Väter», die er gemeinsam mit den Schauspielern entwickelt. Um Shakespeare oder Tschechow hatte Hermanis bisher einen Bogen gemacht. Bei Shakespeare gehe es immer um Rache, Eifersucht und all diese dunklen, schmutzigen Energien, meinte er dazu in einem Interview. «Das sind Bereiche, die ich lieber nicht betreten will. Ich weiß auch so, dass Menschen Arschlöcher sind.

» Und Tschechow? «Mit diesen depressiven Charakteren habe ich nichts gemeinsam. Ich kann ihnen nicht helfen, und sie können mir nicht helfen.» Nachsatz: «Vielleicht finde ich ja noch einen Zugang, wenn ich älter bin.»

Nur eineinhalb Jahre später ist es nun so weit: Im Akademietheater hatte seine erste Tschechow-Inszenierung Premiere. Dass die Vorstellung um sechs beginnt, lässt zu Recht auf einen langen Abend schließen: Fünf Stunden nimmt sich Hermanis Zeit, um das Frühwerk «Platonov» auf die Bühne zu bringen, in dem ein als zynischer Dorflehrer in der Provinz gestrandeter Intellektueller sämtliche Frauen der ...

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Theater heute Juli 2011
Rubrik: Aufführungen, Seite 24
von Wolfgang Kralicek

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