Klassiker unter sich

Kräftig durchgeschüttelte Um- und Neudeutungen in Berlin: Kafkas «Amerika»-Roman im Gorki Theater, Büchners «Leonce und Lena» im Deutschen Theater und Tschechows «Iwanow» im Berliner Ensemble

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Ziemlich sportlich, wie das Maxim Gorki Theater Kafkas «Amerika»-Roman liest: eine Textraserei, in der sich das achtköpfige Ensemble nicht nur den 16-jährigen Protagonisten Karl Roßmann reihum zuwirft, auf kreiselnder Drehbühne im Dauerlauf durch den Szenenparcours hechtet, von verzerrt-verfremdeter Sprechhaltung zu verbogenen Körpern switcht, getrieben von Kling-Klang-Klong-Geräuschen wie gute alte Flipperkugeln, die immer noch einmal den High Score brechen wollen. Kafka auf Speed.

Dabei war es nur eine Frage der Zeit, bis nach den zahlreichen Exil-Erzählungen des Hauses einmal die Perspektive umgedreht wird: Wie war das damals vor hundert Jahren, als nicht Europa das Wunschziel der vielen war, sondern die Europäer die Flucht ergreifen mussten vor Hunger und Verfolgung, vielleicht auch nur vor einem kleinen Skandal, wie der junge, gutbürgerliche Karl Roßmann aus Prag nach seiner Affäre mit dem Dienstmädchen. «Der Verschollene», so Kafkas ursprünglicher Titel, erscheint in New York aus dem Unterdeck eines Atlantikdampfers mit nichts als einem Regenschirm und einem Koffer, um in der fremden Welt mit ihren merkwürdigen Menschen und deren undurchschaubaren Regeln nur immer weiter ...

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Theater heute März 2023
Rubrik: Aufführungen, Seite 10
von Franz Wille

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