Karlsruhe: Im Museum des Vergessens
Über 150 ermordete Künstler in nur einem Jahr, und kaum einer weiß noch davon: Es ist ein «Museum des Vergessens», in das zwei junge georgische Theatermacher, der Regisseur Data Tavadze und der Autor Davit Gabunia, mit ihrem Stück «Tiger und Löwe» führen. Thema ist der stalinistische Terror in Georgien im Jahr 1937, als der gefürchtete Geheimdienstchef Lawrenti Beria im Namen Stalins Autoren, Musiker und Regisseure einfach verschwinden ließ.
Nur vereinzelt ist die Grausamkeit der Folterungen überliefert, etwa im Fall des Dirigenten Ewgeni Micheladze, dem Beria nach 48 Tagen Verhör und Folter persönlich die Trommelfelle mit dem Taktstock durchstochen haben soll. Nur über wenige Schicksale herrscht Klarheit: Der Dichter Paolo Iaschwili etwa entzog sich einer heimlichen Hinrichtung, indem er sich im Haus der georgischen Schriftstellergewerkschaft erschoss. Beria hatte ihn vor die Wahl gestellt, seinen Freund Tizian Tabidze (der später spurlos verschwand) zu verraten oder selbst verhaftet zu werden. Stumme Zeugen dieses Selbstmords waren zwei ausgestopfte Tiere: ein Tiger und ein Löwe, die nach wie vor im Haus der Schriftsteller in Tiflis stehen.
Gabunias Text bezieht sich auf ...
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Theater heute Juli 2018
Rubrik: Chronik, Seite 53
von Andreas Jüttner
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