Jenseits der Leitkultur
Ostdeutschland, Sorgenland. Vor jeder Landtagswahl geht das Bibbern los, dass die parlamentarischen Verhältnisse nicht zu weit nach rechts abrutschen. Mit jedem Wendejubiläum werden die Wunden hergezeigt: die Entvölkerung, die Rodung der einstigen Wirtschaft, das andauernde Gefühl, mit dem Mauerfall einen kolonialen Akt der Umwertung aller Werte und Strukturen erfahren zu haben.
Dabei rückt in diesem «Osten» vielleicht nur stärker unters Brennglas, was unsere Zeit allgemein vorzeichnet: Die den Missstimmungen zugrundeliegenden Brüche zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen der neuen Leitkultur eines kosmopolitischen Urbanismus und den Traditionen einer sich zunehmend entwertet fühlenden alten Mittelklasse sind ja mitnichten ein bloß regionales Phänomen. Die Globalisierung kennt viele Gewinner und Verlierer.
In diesem Sinne muss man Lukas Rietzschels Drama aus der sächsischen Provinz «Widerstand» auffassen. Es spielt in einem Dorf bei Leipzig, aber es «könnte in der Nähe jeder anderen deutschen und europäischen Großstadt liegen», wie der Autor in einer Vorabnote angibt. Denn der Widerstand, der hier aus einer diffusen Gefühlslage erwächst und gegen die Mächtigen irgendwo ...
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Theater heute Juli 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 16
von Christian Rakow
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