Ins Bild setzen

«Tableaux vivants», eine Kulturpraxis des 19. Jahrhunderts, zeigen sich heute als produktive Schnittstelle zwischen Theater und Bildender Kunst

Sie hat durchgehalten, und es kann nicht einfach gewesen sein: Vom 9. März bis zum 31. Mai dieses Jahres saß die Performancekünstlerin Marina Abramovic im Museum of Mo-dern Art in New York täglich während der Öffnungszeiten des Museums sieben Stunden ohne Unterbrechung auf einem einfachen Holzstuhl, sechs Tage die Woche, schweigend. Ein Exerzitium als sprichwörtliche Begleit­erscheinung zu ihrer Retrospektive «The Artist Is Present».

Wenn das Publikum ab halb elf das monumentale Atrium im zweiten Stock des Neubaus betrat, saß Abramovic bereits im überlangen roten Kleid, die schwarzen Haare nach links in einem Zopf über die Schulter nach vorn gelegt, die Hände in den Schoß ge­faltet. Es gab keinen Auftritt in ihr am Boden abgeklebtes Geviert, keinen Abtritt, keinen Applaus. Und das Geschehen oder besser Nicht­geschehen wurde über die Web-Site des Mu­seums von einer starren Kamera täglich live übertragen. Vor ihr standen ein einfacher Tisch und ein zweiter Stuhl. Der Reihe nach war man einge­laden, sich ihr gegenüber zu setzen, so lange man wollte, so lange man konnte. Manche ertrugen es nur wenige Minuten, einer am fünften Tag die ganzen sieben Stunden lang. Jeder wird in einem ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juli 2010
Rubrik: Magazin, Seite 61
von Max Glauner

Vergriffen
Weitere Beiträge
Die andere Seite der Geschichte

Seitdem ich in Deutschland bin, habe ich das deutsche Theater, wie ich es erlebe, oft kritisiert und dem englischen Theater gegenübergestellt. Ich habe gesagt, das deutsche Theater ist «tief», philosophisch und politisch im Gegensatz zum englischen Theater, das wegen des anspornenden ökonomischen Drucks auf Publikumserfolge aus ist. Andererseits habe ich oft...

Der vermeintliche Iwan

War er einer jener «normalen» Kollaborateure, die in den Vernichtungslagern der Nazis ihre eigene Haut retteten, indem sie Juden in Gaskammern trieben, oder gehörte er zu den Schergen, die während ihrer «Arbeit» sadistische Lust entwickelten? Darum geht es, seit Anfang der 1980er Jahre Überlebende des KZ Treblinka in John Demjanjuk jenen berüchtigten Wärter erkannt...

Der Einbruch des Performativen

Max Glauner Susanne Gaensheimer, Sie sind zur Kommissarin des deutschen Pavillons bei der 54. Biennale von Venedig 2011 ernannt worden, der wichtigsten internationalen Leistungsschau zeitgenössischer Kunst. Nach Christa Kühne, die 1986 den DDR-Beitrag kuratierte und Gudrun Inboden 1997 und 1999 sind Sie erst die dritte Frau in diesem Amt. Wie wird man Kommissarin...