In Armut scheitern
Während die Britin Caryl Churchill den «Europäischen Dramatiker:innen Preis» 2022 des Schauspiels Stuttgart, dotiert mit 75.000 Euro, am Ende doch nicht erhielt (vgl. TH 12/22), wurde der mit 25.000 Euro dotierte «Europäischen Nachwuchsdramatiker:innen-Preis» tatsächlich an die Ukrainerin Lena Lagushonkova, Autorin von bisher acht Theaterstücken, verliehen.
Der alleinige Preisjuror Marius Ivaškevicius begründete seine Wahl damit, dass Lagushonkova «über das Leben einer jungen Frau vor dem Hintergrund der Revolution und des Krieges» schreibe: «Die kurzen Dialoge und Monologe sind durchzogen von einer sparsamen, direkten Sprache und scharfsinnigem Humor.»
Nach der Preisverleihung gab’s dann im Stuttgarter Kammertheater die Premiere ihres Stücks «Gorkis Mutter» zu sehen – in ukrainischer Sprache, gespielt von vier ukrainischen Schauspielerinnen und inszeniert vom ukrainischen Regisseur Maxim Golenko, der in Lagushonkovas Stück «eine Art Recherche» erkennt, «warum der Krieg in unsere Region kam». Alle Mitwirkenden leben derzeit im Exil. Diese Aufführung ist schon deshalb lobenswert, weil sie nicht nur eine der vielen Stücke-Lesungen von ukrainischen Autor:innen ist, wie sie in ...
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Theater heute 1 2023
Rubrik: International, Seite 38
von Verena Großkreutz
Zwischen zwei moralisch anfechtbaren Positionen zu wählen, ist nicht einfach, zwischen zwei untadeligen manchmal noch schwieriger. Kunstfreiheit und der Kampf gegen Antisemitismus sind zwei zentrale Prinzipien ganz oben auf der Werteskala der freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung. Umso fataler, wenn sich beide in letzter Zeit immer wieder miteinander...
Die Zeit scheint einen Augenblick stillzustehen im rasanten Lauf der Ereignisse: wenn Sylvana Krappatsch als Annette aus ihrem Schatten heraustritt, ihm sachte zuwinkt, dann mit kleinen, aber kräftigen Flatterbewegungen abzuheben, ja, einen winzigen Moment über dem Boden zu schweben scheint, als ziehe sie eine unsichtbare Hand am Schlafittchen nach oben – um sie...
Die russische Seele zeigt sich in Dostojewskijs «Dämonen» von ihrer finstersten Seite. Der spöttische Plauderton, den der Roman anschlägt, ist trügerisch; die Figuren haben kaltblütige Morde und andere abscheuliche Taten auf dem Gewis -sen. Nikolaj Stawrogin, der Held des Romans, hat ein paar Jahre in Petersburg und sogar in der Schweiz verbracht, bei seiner...