Im Kaufhaus des Verschwindens
Ob sich die Finanzkrise und ihre Ursachen überhaupt fürs Drama eignen – oder mit Elfriede Jelineks Krisenredewirbel «Die Kontrakte des Kaufmanns» nicht längst mehr als alles gesagt ist – sind berechtigte Fragen. Auf jeden Fall aber bleiben die Folgen der Krise ein Thema fürs Theater. Theresia Walser interessiert sich jedenfalls nicht für ökonomische Theorie oder Kapitalkritik, sondern für ein alltägliches Kulturbiotop, das gerade untergeht.
Herr Ellenbeck, Ende 50, Verkäufer in der Herrenabteilung, hat in «Herrenbestatter» seinen letzten Arbeitstag, und seinen letzten Anzug wird er an eine Leiche verkaufen. Im müden Wirbel der großen Drehtür weht Theresia Walser ihrem Ellenbeck noch einmal ein paar verstreute Kunden und Belegschaftsreste um die Ohren. Zwischen schütteren Kleiderständern, halbleeren Regalen und den Selbstberuhigungstiraden der letzten Verbliebenen feiert sich das Kaufhaus im Verschwinden: der Konsumtempel des späten 19. und 20. Jahrhunderts, der immer mehr war als ein Vertriebskonzept für Gebrauchsgegenstände. Kultstätte der Überflussgesellschaft und Arche Noah der Fußgängerzonen, anonymes Geselligkeitszentrum der urbanen Einsamkeiten, Lebensbegleitrauschen und ...
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Das Leben ist bekanntlich ein langer, ruhiger Fluss – es sei denn, es kommt eine Revolution dazwischen. Genau das plant die mit allen Ironiewassern gewaschene britisch-deutschen Performance-Formation Gob Squad mit «Revolution Now!» an keinem geringeren Ort als der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, heroisch erstmals auf großer Bühne, auf der es für die erwarteten...
Wer Manfred Meihöfer auf der Bühne erlebt hat, weiß, dass mit ihm ein zum Platzen pralles Energiebündel auftrat. Manchmal hatte man fast den Eindruck, als tobe während des Spielens in ihm eine Wut auf das Spielen selbst, als wollte er dieses «Als ob» in sich niederringen.
Vor ungefähr zehn Jahren spielte er am Berliner Gorki-Theater den Anton Meister in der Regie...
Ausgerechnet die Vernunft bringt Lajos und Jokaste dazu, ihrem kleinen Sohn Ödipus die Füße verstümmeln und ihn den Geiern zum Fraß vorwerfen. Die Greueltat soll verhindern, dass sich der schreckliche Orakelspruch vollzieht, demzufolge der kleine Frechdachs eines Tages Lajos ermorden und Jokaste schwängern wird. Aus Vernunft verlässt auch Ödipus, der die frühe...