Hate Ratio
Das Gute liegt oft näher, als man denkt: Schwerpunktthema der österreichischen Nationalbühne ist in dieser Spielzeit österreichische Literatur. Eröffnet wurden die Österreich-Wochen am Burgtheater mit einer hauptsächlich effektvollen Inszenierung von Ferdinand Raimunds Psycho-Zaubermärchen «Der Alpenkönig und der Menschenfeind» durch den jungen Regisseur Michael Schachermaier. Die zweite Saisonpremiere ist ein hartes Kontrastprogramm dazu: Michael Thalheimer inszeniert Hugo von Hofmannsthals Fin-de-Siècle-Version der «Elektra»-Tragödie.
Das Drama der Königstochter wurde von allen drei griechischen Tragödiendichtern besungen. Während sie bei Aischylos (in den «Choephoren») eine Nebenrolle spielt, haben sowohl Sophokles als auch Euripides Tragödien namens «Elektra» geschrieben. Hofmannsthals Stück (uraufgeführt 1903 am Deutschen Theater, später von Richard Strauss vertont) lehnt sich an die Sophokles-Fassung an und spitzt diese zum poetischen Psychogramm einer von Hass förmlich zerfressenen jungen Frau zu. Der Chor ist gestrichen, die äußere Handlung eher Nebensache. Im Grunde spielt sich das ganze Drama im Inneren von Elektra ab. «In der ‹Elektra› wird das Individuum in der ...
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Theater heute Dezember 2012
Rubrik: Aufführungen, Seite 14
von Wolfgang Kralicek
«Shakespeare. Spiele für Mörder, Opfer und Sonstige» nennt Dimiter Gotscheff seine neueste Inszenierung. Mörder und Opfer bei Shakespeare sind bekanntlich ein weites Feld – aber Sonstige? Mal sehen, hoffentlich nicht unter Sonstiges.
Wenn Thomas Schmauser auf der Bühne von 1 bis 52 zählt (derzeit an den Münchner Kammerspielen in «Gesäubert» von Sarah Kane),...
Es war einmal ein Kind, das wollte endlich mal auch zu Wort kommen, d.h. es war eigentlich kein Kind, aber in Zeiten vor der großen Krise wurde so jemand Kind genannt. Man sagte ihm, es solle erst einmal wirklich zuhören lernen. «Kann ich doch!» entgegnete es seinen Eltern, die eigentlich nicht seine Eltern waren, sondern was anderes, aber die glaubten ihm ohnehin...
Der Baum ragt mächtig in die Höhe. Er muss ein biblisches Alter haben. Um den Stamm schlängeln sich Luftwurzeln über den Boden, schenkeldick, fantastisch verknotet, voller Fußangeln. Muriel Gerstners Bühnenbild im Schauspielhaus Zürich ist wie für den Sündenfall geschaffen.
Gefühlsverwirrung, Geschlechterverwirrung, Identitätsverwirrung – das ist das Knäuel, aus...