Hannover
Wenn der alte Christian Maske (Henning Hartmann) hinter dem Gaze-Vorhang das Treiben seiner Nachkommen beobachtet, packt ihn das Grauen.
Infantile Spiele und Lebensuntüchtigkeit in Gestalt seines Sohns Phillip Ernst (weinerlich und ängstlich: Aljoscha Stadelmann) wechseln sich mit der eiskalten Skrupellosigkeit seiner attraktiven Tochter Sofie (Rebecca Klingenberg) ab: «Wer hat Kapitalien angehäuft, monopolisiert und unablässig fusioniert? Wer hat immer neue Millionen aus der Vorstellung gestampft, die jetzt verzinst werden sollen? Ihr habt uns die Skrupellosigkeit übermacht», resümiert sie kühl, und Maske erschrickt über die logische Konsequenz eines Wirtschaftssystems, das er mit erschaffen hat. «Die Herausgabe von Aktien eines Unternehmens, das arbeitend gar nicht existiert, erst in fünf Jahren zu leben anfängt? Das ist verbrecherisch», ahnt er den bevorstehenden Untergang.
«1913» zeigt den Verfall einer Familie im Endstadium. Da helfen auch nicht die ungelesenen, dekorativ im hohen Regal gesammelten Bücher, die ihm Tochter Ottilie (Juliane Fisch) jetzt um die Ohren wirft. Der neureiche Maske hat es versäumt, seinen Wohlstand mit einem bürgerlichen Wertegerüst zu untermauern ...
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Theater heute März 2012
Rubrik: Chronik, Seite 49
von Alexander Kohlmann
Oh, wie schön war es in Chioggia, als es Nuran David Calis noch nicht zu einem Schnellrestaurant gemacht hatte. Was im 16. Jahrhundert noch ein redlicher Fisch war, ist heute allenfalls ein Hamburger, so traurig ist die Gegenwart. Toilette und Küche der Kneipe, wo mal choreografiert geprügelt, mal heimlich geraucht wird, werden per Live-Kamera ebenfalls nach vorne...
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