Großstadttraurigkeit

Lars Norén «3.31.93»

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Schon der Titel spendet wenig Trost. Er umarmt nicht, gibt keinen Halt, leitet nicht hinein in Emotionen, Identitäten, Welt. Stattdessen: Draufsicht. «3.31.93». Mehr nicht. Ein Zahlencode vielleicht, ein Datum möglicherweise, vor allem aber eine mathematische Formel für die Dramenkonstruktion: drei Teile mit jeweils 31 Szenen. Macht zusammen 93 Augenblicke. Fast einhundert Momente, in denen der schwedische Dramatiker Lars Norén insgesamt 25 Figuren aufeinandertreffen lässt.

Figuren, von denen wir zunächst wenig mehr erfahren als Geschlecht und Alter, manchmal einen Namen, oft nur einen Anfangsbuchstaben, durchsortiert wie das Alphabet und doch genauso zufällig benannt.  

In kurzen Szenen begegnen sie sich. Die Sprache, die Norén ihnen dabei gönnt, ist knapp und reduziert. Ihre Sätze sind kurz, es wird nur das Nötigste gesagt. Oder eben nur das, was sich sagen lässt. Denn oft ist es gerade das Ungesagte und das Unsagbare, das aus Noréns kurz skizzierten Figuren spricht. Wir spüren ihre Sehnsüchte, ihre Hoffnungen und ihr Mühen, das eigene Leben zu einem guten zu machen. Und sehen in Noréns Szenen gleichzeitig doch vor allem das Fehlende, die Folgen eines Scheiterns oder das Ergebnis ...

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Theater heute Jahrbuch 2015
Rubrik: Neue Stücke der neuen Spielzeit, Seite 188
von Thomas Laue

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