Graz: Das große Husten

nach Thomas Mann «Der Zauberberg»

Wenn im Theater gehustet wird, dann normalerweise im Zuschauerraum. Diesmal aber fängt die Vorstellung damit an, dass das in Anoraks und Daunenmäntel gehüllte Ensemble sich vor dem Vorhang aufreiht und so lange herzhaft um die Wette hustet, bis der – ebenfalls hustende – Doktor seine Patienten von der Bühne holt. So beginnt Alexander Eisenachs Inszenierung des «Zauberbergs» in Graz.



Da fragt man sich natürlich gleich einmal: Wie lange geht’s? Das gemächliche Erzähltempo, das Thomas Mann in seinem – je nach Ausgabe – 650 bis 1000 Seiten starken Hauptwerk anschlägt, ist ein wesentliches Stilmittel des Romans, der ja auch davon handelt, dass die Uhren im noblen Schweizer Lungen­sanatorium langsamer gehen als unten bei den Gesunden. Die Spieldauer einer «Zauberberg»-Aufführung müsste also mindestens Castorf-Dimensionen haben; in Graz sind es knapp vier Stunden, was für Stadttheaterverhältnisse zwar durchaus eine Herausforderung darstellt, aber zu kurz ist, um gepflegte Langeweile aufkommen zu lassen.

Regisseur Eisenach ist auch sonst bemüht, gängige «Zauberberg»-Erwartungen zu unterlaufen. Von den Liegestühlen etwa, auf denen die Romanfiguren große Teile ihrer Tage verbringen, ist hier ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute März 2018
Rubrik: Chronik, Seite 58
von Wolfgang Kralicek

Weitere Beiträge
Baden-Baden: Im Machbarkeitswahn

Ob Goethe seinen «Faust» vom Ende her gedacht hat? Schwer vorstellbar, begann er doch bereits zu Studienzeiten mit der Arbeit an dem Stoff, schleppte sich schon für «Faust I» durch mehrere Entwurfsstufen und machte an «Faust II» erst als hochbetagter Geheimrat ein Schleifchen dran. Kein Wunder, dass er dieses Spätwerk mit seiner überbordenden Fülle an Themen und...

Von Gleichen und Gleicheren

Ein Mann kommt abends zur Tür herein, zurück in den Schoß der Kleinfamilie, und sieht sich selbst am Tisch sitzen. Verständlicherweise reagiert er nicht gerade begeistert, zumal die Restfamilie so tut, als wäre alles in Ordnung. So beginnen spätestens seit der Romantik Identitätskrisen, die den scheinbar festgefügten Alltag aus den Angeln heben. Bald werden sich...

Dramatischer Suchtstoff

Du bist wirklich verrückt geworden, Alfred», diagnostiziert Charlotte absolut zutreffend und klingt dabei eher zoologisch interessiert als irgendwie aufgebracht. Chapeau: Schließlich befindet sich die Mittvierzigerin mit ihrem Gatten auf dem Rückweg ins Hotel nach einem Dinnerausflug, in dessen Verlauf der Inhalt (mindestens) eines Rotweinglases in ihrem Gesicht...