Gotscheffs Mühle
Zwischendurch nimmt immer mal wieder jeder seinen schwarzen Caféhausstuhl, wirbelt ihn zu einem kleinen einsamen Tänzchen mit sich herum, schreit ein paar seiner schönsten Phrasen der bösartigsten Selbstsucht ins Parkett und serviert dazu eine Portion Grotesk-Pantomime der jeweiligen besonders auffälligen Macken. Dazu gibt gelegentlich eine vierköpfige, vom Schnürboden per Beleuchterbrücke ins leere Bühnenrund gehängte Combo dissonante Eruptionen auf Basis nicht wiedererkennbarer Walzer-Standards zum Besten.
Mit schönster Offenherzigkeit präsentieren sich in Dimiter Gotscheffs Berliner Inszenierung die gierigen Wiener Klein- und Kleinstbürger in ihrer gesammelten Niedertracht und signalisieren jedem, der noch nicht völlig blind und taub ist: Geheimnisse werden hier nicht gemacht.
Horváths Volksstück in drei Teilen von 1931 ist ein unverwüstlicher Oldtimer des kritischen Theaters: die schaurige Abrichtung der maßvoll widerspenstigen Marianne durch Vater, Bräutigam, Geliebten, Freunde, Tanten und ein weiteres halbes Dutzend menschenverachtender Egoisten nebst den widrigen wirtschaftlichen Verhältnissen, bis aus dem süßen Wiener Mädel eine wehrlos zugerichtete Ehefrau geworden ist. ...
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Auf die (nicht nur) russische Frage «Was tun?» gab’s zwei berühmte aktivistische Antworten: Tschernyschewski beantwortete 1863 die Frage mit der sozialrevolutionären Parole, Lenin 1902 damit, dass es eine marxistische Kader-Partei brauche, um die Verhältnisse umzuwälzen. Und Stalin warf erst gar nicht mehr die Frage auf, sondern handelte staatsterroristisch.
Am...
Wie ein Blick und ein Begehren das Tabu zunichte macht, wie der Furor jede Regel bricht, und wie ein gut gezielter Schuss die Liebesschlacht beendet – selbstverständlich ist es selbst im Theater nicht, dass der Überfall des Außergewöhnlichen derart hart und scharf und haargenau ins Herz und an die Nieren geht. Als aber Shakespeares Gräfin Olivia, gelangweilt vom...
Was warst du am 8. Mai 1945?» Die einzige Talkshowfrage, die in Nicolas Stemanns Theaterfassung des Antikriegsromans «Schlachthof 5» von Kurt Vonnegut gestellt wird, gehen die Hannoveraner Schauspieler streng gruppentherapeutisch an. Brav hocken sich Sonja Beißwenger, Matthias Neukirch, Peter Knaack und Matthias Buss auf den psychedelisch gemusterten,...