Gegenkritik

Falk Richter hat sich richtig gefreut, als er um eine Gegenkritik zu seiner «Kabale und Liebe»-Inszenierung an der Berliner Schaubühne gebeten wurde

Franz Wille auf der Mailbox: «Lieber Falk, hier ist Franz, ruf doch mal bitte zurück.

» Hm, was kann das bedeuten? Er will mein neues Stück abdrucken, wie toll, da freu ich mich aber, und dann, nein, nein, du, hör mal, wir haben da so ‘ne Rubrik «Gegenkritik», ach so, hmm, das ist so ‘ne Loserrubrik, wir fanden nämlich deine «Kabale und Liebe»-Inszenierung alle so scheiße, willst du dazu Stellung beziehen? Äh, ach so, ja, hm, ich guck mal, bin ja sowieso ‘n bisschen krank und hab viel zu tun und, äh, was soll denn das jetzt, verdammt! Du müsstest dir dann vielleicht mal den ganzen Stapel Verrisse kommen lassen, durcharbeiten und dann erklären, warum du die Inszenierung überhaupt gemacht hast und vor allem, warum ausgerechnet so, verstehe, nee klar, mach ich gerne, tschüss. Franz Wille, der Sadist, Franz Wille, der Antichrist, ich soll jetzt Texte von Peter Hans Göpfert lesen? Nein, das mach ich nicht! Blick in den Berliner «Tip»: Das Musical «Der Schuh des Manitu» von Bully mit Winnetou und Siebziger-Jahre-Schwulenwitzen wird da als «herausragend» eingestuft, Kabale und Liebe als «uninteressant». Tja, wie soll man dazu jetzt Stellung beziehen? Mehr schwule Indianer an die Schaubühne, ich bin dabei! Und Spiralblockmännchen, hat der auch was geschrieben? Lob von Spiralblockmännchen bringt ja bekanntlich nur hämisches Grinsen von den Regiekollegen, heißt: Der Gelobte muss künstlerisch jetzt komplett im reaktionären Nirvana angekommen sein, aber ein Verriss von Spiralblockmännchen nervt auch irgendwie. Eine No-Win-Situation. ...

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Theater heute Februar 2009
Rubrik: Magazin, Seite 63
von Falk Richter

Vergriffen
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