Frau als Beute

Euripides «Medea»

Theater heute - Logo

Spannungsarm lehnt der Gatte an der Küchenzeile. Die Frau hat sich in einen Wutanfall hineingesteigert, schreit «du elender Kerl» und streicht sich eine absichtsvoll drapierte Grauhaarsträhne aus dem Gesicht. Er wolle jetzt «keine kleinkarierte Rechnung aufmachen», erwidert der Gatte in stilechtem Vorabendseriendeutsch und sitzt die Sache erst mal aus. Man scheint hier recht krisenroutiniert, was bei der Wohnsituation auch kein Wunder ist.

Es handelt sich nämlich um ein Ehepaar mit Migrationshintergrund, das haargenau so lebt, wie sich das der bundesrepublikanische Durchschnittsfernsehzuschauer so vorstellt: auf drei mal drei Metern zwischen heruntergewirtschaftetem Küchentrakt, Bettcouch und Kleinbürger-Sitzgruppe. Der aktuelle Zankapfel: Der Gatte hat sich erfolgreich aus der Sozialbude herausgeschlafen und wird bald die junge Tochter des Stadtoberen heiraten, während der grausträhnigen Gattin die Ausweisung droht. Sie schlüpft dann in ihr schulterfreies Abendkleid, setzt sich mit einem Glas Rotwein vor den Fernseher, wird von ein paar Alpträumen gebeutelt und greift schließlich zum Küchenmesser, um aus Rache am untreuen Gatten die gemeinsamen Kinder zu töten. 

Das kleine ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Januar 2007
Rubrik: Chronik, Seite 38
von Christine Wahl

Vergriffen
Weitere Beiträge
Fetisch bleibt Fetisch

Der Jud’ tut gut.» Dieser Satz klingt ein wenig seltsam in Nazideutschland, aber er fällt nun doch in einem Film, der von sich im Untertitel behauptet, «die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler» zu erzählen: «Mein Führer» von Dani Levy ist eine Komödie, unschwer zu erschließen aus der Tatsache, dass es Adolf Hitler selbst ist, der den Satz sagt. «Der Jud’...

Ethnovati, Girlietochter

Eine Bettszene in schneeweißen Laken. Jean-Luc (19): «Hier. Ich habe den Feynman für dich ausgeliehen.» – Catherine (18): «Danke. Jetzt nicht.» Feynman ist der Stephen Hawking für gehobene Ansprüche, also nobelpreisdekorierte Quantenphysik mit Populärfaktor. «Danke. Jetzt nicht» – das ist eine Antwort, die es eine Nummer kleiner will, und klingt nach einem...

The Hope-Business

Hilfe, dieser Film macht sentimental! Selbst wenn das Living Theatre im eigenen Mythenhaushalt kaum eine Rolle spielt, selbst wenn man wie der Regisseur Christoph Schlingensief im DVD-Bonusmaterial fest davon überzeugt ist, es sei «totaler Blödsinn» zu glauben, ein Theaterstück könne politisch etwas bewirken: Dirk Szuszies Dokumentarfilm «Resist» rührt empfindlich...