Erinnerungen an die Zukunft
Kalte Böen peitschen durch die Spitalerstraße, die schnurstracks vom Hamburger Hauptbahnhof zum Thalia Theater führt, das letzte Aufseufzen von Orkan Kyrill, der zwei Tage zuvor Europa in Aufruhr und Stillstand versetzt hatte. Im Wind schwankt ein glatzköpfiger Typ, nicht jung, nicht alt, ein riesiges Holzkreuz in der Hand. Mit donnernder Stimme brüllt er gegen den Sturm an: «Wer gegen die Juden kämpft, kämpft gegen Gott. Viele werden noch sterben, aber einst wird Jerusalem die Hauptstadt der Welt sein.
» Die Menschenmenge, die sich am frühen Samstagabend der Hamburger «Hexenjagd»-Premiere durch die Fußgängerzone drängt, macht einen höflichen Bogen und ignoriert ihn gelassen. Der Hanseat zumindest nimmt missionarischen Fanatismus cool. Hexenjagden sind fürs Erste wohl nicht zu befürchten.
1692 – 1952 – 2070
Das sieht vermutlich auch Andreas Kriegenburg so. Arthur Millers fünfzig Jahre altes Stück, das anhand der historischen Hexenverfolgungen von Salem im Amerika des 17. Jahrhunderts eine Parabel auf die Kommunistenhatz McCarthys erzählt, der Miller selbst zum Opfer fiel, verlegt er in eine merkwürdig altmodische Zukunft. Eine Datierung, die allerdings erst der allerletzte Satz ...
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Das Beste, was Jan Pappelbaums Bühnen passieren kann, ist, dass sie jemand in die Luft jagt wie das Hotelzimmer in Sarah Kanes «Zerbombt». Erst in der Komplett-Zerstörung ist die detailgetreu nachgebaute Vier-Sterne-Tristesse samt ihrer Insassen in Thomas Ostermeiers Schaubühnen-Inszenierung ganz bei sich selbst angekommen. In den Wänden des Hotelzimmers klafft...
Um die wahre Größe dieser «Theater»-Produktion in der Volksbühne zu verstehen, ist es notwendig, sich Jonathan Meeses Weg zu einem der teuersten und meistdiskutierten deutschen Gegenwartskünstler vor Augen zu führen. Die Ursache dieses märchenhaften Erfolges ist vermutlich vor allem in Meeses perfekter Inszenierung eines Rätsels zu suchen: Wer bin ich? Schon mit...
Wenn die Party beginnt, begibt sich Lars Eidinger in sein Element. Eine innere Tür geht auf, er tritt über die Schwelle und in eine andere Welt, in der er nicht mehr er selbst ist. Sondern ein Rockstar. So wie zum Auftakt des «Sommernachtstraums», den Constanza Macras und Thomas Ostermeier letzten Sommer in Athen und an der Berliner Schaubühne präsentierten. Noch...