Eine Kulturgeschichte der Scham
Noch immer sorgt das Bild im Pariser Musée d’Orsay für leichte Irritation, wenn der Blick des von einem zum anderen Bild schreitenden Betrachters plötzlich zwischen zwei geöffnete Schenkel fällt, zwischen denen die Lippen sichtbar, der Spalt der Klitoris erkennbar, der behaarte Schamhügel einer Liegenden sich ihm entgegenwölbt. Eine Nahsicht, naturgetreu abgebildet. Zu sehen ist nur dies. Kein Gesicht, kein Kopf, kein Fuß. Gerade noch der Bauch und ein Tuch, ein Schleier, hochgerutscht bis zur Brust – ein Hinweis auf das Spiel der Ver- und Enthüllung.
Seit dieses Bild an diesem öffentlichen Ort hängt, wird es streng bewacht. Dabei würde wohl kaum einer der Besucher die Berechtigung seines Ausgestelltseins in Zweifel ziehen. Im Gegenteil, er wird es für eine Selbstverständlichkeit halten, handelt es sich doch um ein Werk, das einen Wendepunkt in der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts markiert, um Gustave Courbets «Der Ursprung der Welt».
Mehr als hundert Jahre hat es gedauert, bis dieses Bild der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Seine Geschichte ist selbst ein Wechselspiel des Ver- und Entbergens. 1866 hatte Khalil Bey, ein ägyptischer Diplomat, der sich der Pariser Libertinage ...
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Theater heute Jahrbuch 2010
Rubrik: Die neuen Stücke der Spielzeit, Seite 198
von Judith Gerstenberg
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