Eine Fassade ohne Haus

Auch Queerness ist bloß eine Kategorie. Aber Tucké Royale ist nicht so leicht zu fassen – ein Porträt

Theater heute - Logo

Man wünscht sich Kategorien, wenn man über Künstler spricht. Man möchte sagen können: Der macht Musiktheater, performt, macht Aktionskunst. Man möchte sagen können: Der ist ein Mann, die ist eine Frau. Man möchte den Künstler irgendwie fassen. Und der erste große Stein, den einem Tucké Royale in den Weg legt, wenn man versucht, etwas über seine Kunst zu sagen, ist, dass diese Kategorien auf ihn allesamt nicht anwendbar sind.

Dass ihm schon Einordnungen wie Mann, Frau, Transsexualität oder Homosexualität zuwider sind, stellte Royale früh klar.

In seiner ersten größeren Arbeit, einer Soloperformance mit dem selbstbezüglichen Titel «Tucké Royale», beschrieb er sich 2011 als «Pseudo-Hermaphroditen»: «Ein Pseudo-Hermaphrodit ist kein Hermaphrodit», hieß es da. «Ein Pseudo-Hermaphrodit ist keine Frau. Ein Pseudo-Hermaphrodit ist auch kein Mann. Ein Pseudo-Hermaphrodit ist ein Zwitter. Naja. Ein Pseudo-Her­maphrodit ist kein richtiger Zwitter. Ist ein Pseudo-Zwitter … Ich bin Pseudo! Ich bin eine Fassade ohne Haus. Äußerer Schein, das Als-ob. Wie das Theater.» Das ist nicht in erster Linie eine Beschreibung einer sexuellen Identität, das ist ein ästhetisches Programm.

Ein Programm, das ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juli 2018
Rubrik: Akteure, Seite 26
von Falk Schreiber

Weitere Beiträge
Die grellen Farben der Mehr­heits­gesellschaft

Das vierköpfige Maskenteam um Kerstin Wirrmann hat ganze Arbeit geleistet. Aus jedem der Gesichter von acht Schauspieler*innen des Leipziger Ensembles hat es ein in fast jeder Hinsicht bizarr überzeichnetes Alien-Antlitz herausmodelliert, achtmal verschieden und doch gleich: mit Silikonknete verstärkte Stirn-, Kinn- und Wangenpartie, grellrot geschminkte...

Wien: Zahnlose Zombies

Sie sehen aus, als wären sie einer «Körperwelten»-Ausstellung entsprungen, die Muskelstränge sind freigelegt, das Skelett zeichnet sich am Brustkorb ab, fahle Haarbüschel bedecken ihre bleichen Schädel: Drei Wesen, die mehr tot als lebendig scheinen, torkeln auf die Burgtheater-Bühne (Kostüme: Victoria Behr). Stéphane Laimé hat einen weiteren Balkon gebaut und...

Mainz: Sahnehäubchen Müller

Die mehr als 200 Seiten der Hebbelschen Trilogie könnte man an drei aufeinanderfolgenden Tagen oder in einer langen Nibelungennacht spielen. Jeder Teil wäre ein Drama für sich und würde etwa drei Stunden dauern. In Mainz, wo es der Deutschen liebsten Blut- und Ehre-Mythos derzeit in der sprachmächtigen und psychologisch aufgefrischten Neudichtung Friedrich Hebbels...