Egomania

Der Goldene Löwe der Biennale von Venedig geht an: Christoph Schlingensief

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Egomania – Insel ohne Hoffnung» ist der Titel eines Films, den Christoph Schlingensief im zarten Alter von 26 Jahren mit Tilda Swinton, Udo Kier, ausgesucht hässlichen Laiendarstellern und jeder Menge selbster­mächti­gungsseligen Stirner-Zitaten auf einer vereisten Nordsee-Hallig gedreht hat. Ein Glück, dass Schlingensiefs Dramaturg Carl Hegemann kurz vor der Biennale-Eröffnung die Idee hatte, das GER im Schriftzug GERMANIA über dem Portikus des deutschen Pavillons mit EGO übermalen zu lassen.

Drei Buchstaben nur, und aus dem
Nationalkäfig wird ein Tempel der privaten Obsessionen. Drinnen allerdings ist die erste Etappe der Museali­sierung Schlingensiefs zu bestaunen: das Bühnenbild (Thomas Goer­ge) und die Videos der künstlerischen Bearbeitung seiner Krebserkrankung «Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir», eine Dokumentation des Operndorfs in Burkina Faso sowie sein manisches, durchgeknalltes, unbedingt sehenswertes filmisches Œuvre. Die Jury ließ
sich von der Abwesenheit «echter Menschen» (mit Ausnahme des Publikums) nicht beirren und verlieh dem Deutschen Pavillon und posthum dem großen Nicht-nur-Egomanen Christoph Schlingensief den Goldenen Löwen. Herzlichen Glückwunsch!

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Theater heute Juli 2011
Rubrik: Foyer, Seite 1
von

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