Dramatische Kulturtechniken
So ein zeitgenössischer Theaterautor hat es wirklich nicht leicht heutzutage. Da kommt man in eine Stadt, von der man nicht viel kennt außer Bahnhof, Theater und einem mittelschlechten Vertreter-Hotel auf halbem Weg dazwischen, soll ein möglichst zugkräftiges Stück mit intensivem Ortsbezug entwickeln und dabei auch noch schlauer als alle anderen sein. Nämlich selbstverständlich voll auf der Höhe der angesagten Kunst-, Medien- und Gesellschaftsdiskurse schweben und dabei glaubwürdig und natürlich auch kritisch bleiben, aber bitte kompromisslos und karriereverachtend kritisch.
Das alles termingerecht und möglichst dreimal im Jahr, denn von einem Stückauftrag allein kann niemand leben. Bei Nichtlieferung hat das Theater schon den Anwalt bei der Hand, der dem verträumten Schreiberling in seiner Berliner Szeneklause Beine macht oder wenigstens den Vorschuss wieder einkassiert.
So oder ähnlich darf man sich das beschwerliche Leben des «Unsicher wirkenden jungen Mannes» vorstellen, der in Nis-Momme Stockmanns neuem Stück «Amerikanisches Detektivinstitut Lasso» in Hannover als schüchternes Autor-Alter-Ego durchs Theater und das nahegelegene Hotel am Thielenplatz schleicht und mit ...
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Theater heute April 2016
Rubrik: Aufführungen, Seite 24
von Franz Wille
China besitzt eine von der hiesigen sehr unterschiedene und auf den westlich und besonders vom deutschen Theater geprägten Intellektuellen zunächst eher fremd wirkende Theaterkultur. So hat das Sprechtheater, bei uns mindestens institutionell noch immer das Herzstück des Theaterlebens, hier eigentlich keine Tradition. Das große Erbe der chinesischen...
Der Abend beginnt mit einer Provokation für Kokovoren und andere Fleischverächter. Auf der Bühne werden Schweinskoteletts gebraten, und damit es auch wirklich alle im Publikum riechen können, fächelt der Koch den Zuschauern den Bratenduft entgegen. Wir befinden uns an Bord eines Dampfers, mit dem der Nürnberger Lebensreformer August Engelhardt im Jahr 1902 gerade...
Garantiert anspielungsfrei, aktualitätsresistent und gegenwartsabstinent ist diese Aufführung. Keine Wirtschaftskrise, kein Dschihad und kein Flüchtling trübt die grundschwarze Bühne. Das Spiel kreist, meist aufgeregt, um sich selbst. Natürlich stellt man sich, als Kritiker zumal, bedenklich die Frage, was das soll.
Der «Revisor» ist eine Entlarvungsgeschichte aus...